19. Oktober 2018 – Logroño – Navarrete (12,4 km)
Ausgeschlafen! Nicht nur das, ich fühle mich sogar richtig gut! Hospitalera Maria meinte gestern Abend noch, ich könnte so lange schlafen, wie ich wollte. Das hat dann dazu geführt, dass ich erst um kurz vor 9 Uhr los bin. Mal eine kleine Abwechslung zum 6 Uhr aufstehen, 7:30 Uhr losziehen.
Das, was ich von Logroño auf dem Weg durch die Altstadt gesehen habe, hat mich ein wenig enttäuscht. Wahrscheinlich tue ich der Stadt aber Unrecht, da ich mir ja nicht wirklich Zeit genommen habe oder auch Mal links und rechts neben dem Camino geschaut habe. Viel schlimmer waren aber die Außenbezirke – laut, hässlich und Beton, Beton, Beton. Was ich mir auf dem Camino im Moment am meisten wünsche, ist eine Etappe auf schönen, federnden Waldwegen. Ansonsten war die Strecke eher unspektakulär. Lichtblick war ein nettes Naherholungsgebiet samt See, habe da an einem Picknickplatz gefrühstückt. Bei der Masse an Enten, Schwänen und sonstigen gefiederten Tieren die dort rumliefen und -flogen, hätte da gut ein Casting für Hitchcocks „Die Vögel“ stattfinden können.
Mein Frühstück bestand aber nur aus 2 kleinen Donuts und Wasser. Da ich schon gestern Abend nichts Vernünftiges gegessen hatte, war mein Akku mittags komplett leer und jede Steigung wurde wieder zu einer mittleren Herausforderung. Hatte ich jetzt seit ein paar Tagen nicht mehr so extrem. Das geht so nicht. Auch wenn ich abends nicht so viel Hunger habe, muss ich etwas Vernünftiges essen. Ein Eis und O-Saft fallen da definitiv nicht drunter. Morgen versuche ich, bis Azofra zu kommen, dann passt das übermorgen ganz gut bis Santo Domingo de la Calzada.
Nette Herberge, aber: Apu! Im selben Schlafsaal! Als erstes gleich die Ohrstöpsel rausgesucht. Am besten gleich noch zwei Kissen, die ich mir links und rechts um die Ohren binden kann. Die beiden Kunsthistorikerinnen sind auch wieder da. Haben diesmal sogar hallo gesagt und sich mir auch vorgestellt, aber die Namen habe ich ehrlich gesagt nach 2 Sekunden wieder vergessen. Die beiden wecken bei mir das Bedürfnis spontan kein Deutsch mehr zu verstehen…

Unterwegs gab es einen Stempel für den Pilgerpass einer weiteren Berühmtheit – Marcelino. Von ihm habe ich zwar das erste Mal aus meinen Pilgerführer erfahren, aber das wird schon stimmen. Man sieht in den Herbergen immer mal wieder Fotos von einem (jungen) Mann in traditioneller Pilgerkluft, also Kutte, Hut, Stab, Flaschenkürbis, Muschel. Das ist Marcelino. Neben dem Stempel habe ich noch ein bisschen mit ihm geplaudert – wobei es eher auf ein mit Händen und Füßen irgendwie verständlich machen herauslief, da mein Spanisch echt mies ist. Aber es hat immerhin gereicht, um ihm zwei Bananen für meinen Mittagssnack abkaufen zu können.
…und wen treffe ich zufällig beim Abendessen? Tanja! Hatte eigentlich angenommen, sie wäre deutlich vor mir unterwegs, aber sie hat wohl einen halben Tag Pause eingelegt, so dass ich sie wieder eingeholt habe. Wir haben dann spontan zusammen zu Abend gegessen. Mit dabei war Angie aus den USA, mit der Tanja gestern und heute zeitweise unterwegs war.
Laut Google-Rezensionen waren wir im Restaurant mit einem der besten Abendessen entlang des Jakobsweges. Naja, das Essen war ganz passabel, aber alles andere wäre stark übertrieben. Trotzdem war die Location auf dem Kirchplatz unter Platanen bei himmlischen Wetter einfach nur top. Ein kleiner Ausgleich dafür, dass es heute über Tag wettertechnisch unterwegs eher grau in grau gehalten war.
Nach dem Abendessen in der Herberge noch mit Apu und Sylvia zusammengesessen, ein Gläschen Rotwein getrunken und nett geplaudert. Der Wein hat Apu spendiert, er stammt von einer der großen Bodegas, an denen man auf dem Camino vorbeiläuft. Diese eine ist mir sogar aufgefallen, da dort ein römisch-modern anmutender Turm steht. War also quasi eine lokale Spezialität. Apu hat mir noch mal erzählt, dass er diesen Dezember in Afrika mit seinen „Jungs“ auf Berge klettern möchte und hat mich gefragt, ob ich nicht mitkommen will. Abgesehen davon, dass ich zuerst dachte, er redet von seinen Söhnen und nicht von seinen Kumpels aus dem Herrenclub – es wäre bestimmt ein tolles Erlebnis, aber ich glaube weder, dass ich für so einen Trip fit genug bin (obwohl Apu jetzt auch kein Athlet ist, ganz im Gegenteil, eher mein Kaliber), noch dass ich mich in so eine eingeschworene Gruppe reinzwängen sollte.
Zwischendurch hat sich Jessica, auch aus den Staaten, zu uns gesellt. Sie ist total frustriert, derart, dass sie morgen ihre Sachen zusammenpacken wird und nach Hause zurückfliegt. Ihre Füße spielen einfach nicht mit. sie hat schlimme Blasen und schleppt sich unter großen Schmerzen vorwärts. So leid mir das tut, ich glaube sie trifft die Richtige Entscheidung, auch wenn ihr das sicherlich nicht leicht fällt.

Im Schlafsaal hat man dann schön gemerkt, was für ein kleiner, eigentlich sogar ein ausgewachsener Pascha Apu doch ist. Sylvia packt ihm den Rucksack, legt ihm die Klamotten für morgens raus, … Volles Bemutterungsprogramm. Sie wird den Camino aber nur bis Burgos bestreiten, weil sie dann zurück nach Hause zur Arbeit muss. Apu will bis Santiago weiter. Das muss er dann aber alleine packen, in doppelter Hinsicht. Aber er ist schließlich alt genug für ein wenig Selbstständigkeit. Kann man aber nur hoffen, dass er nicht von einem schnarch-geplagten Pilger erschlagen wird.
Ach guck – den meinte ich, Marcelinho. Da hattest du wahrlich mehr Glück als wir damals