20. Oktober 2018 – Navarrete – Azofra (23,7 km)
Azofra. Wieder so ein Kaff, das 50 km weiter wahrscheinlich kaum noch jemand kennt, es hat aber eine riesige Pilgerherberge. Die Nacht war zwar erstaunlicherweise trotz eines dreistimmigen Schnarchkonzerts inklusive Apu als Solisten eigentlich ganz ok. Ich will aber nicht ausschließen, dass ich zeitweise mit eingestimmt habe, da meine Nase immer noch zu ist. Ich werde auch nach wie vor werde zwischendurch immer wieder wach. Hier zu laut, da aua Knie, Bett zu kurz, im Schlafsack verheddert, … Aber solange ich morgens einigermaßen ausgeschlafen bin, ist das Jammern auf wirklich hohem Niveau.
Auch heute war der Weg wieder ganz angenehm. Zwar war das Wetter auch heute nicht ganz so schön, aber es blieb trocken. Eigentlich optimal für Mitte Oktober. Zum Schreiben sitze ich wieder draußen unter einem jetzt am Abend absolut wolkenfreien Himmel. Diese Nacht wird wohl wieder sternenklar. Im kleinen Wasserbecken hier im Hof der Herberge ist leider kein Wasser, zu einem Fußbad würde ich nämlich jetzt nicht nein sagen.
Da es letzte Nacht zumindest ein bisschen geregnet hat, war an vielen Stellen der bisher betonharte Erdboden ein bisschen aufgeweicht. Das hat das Laufen ein wenig angenehmer gemacht, aber den Waldboden will ich trotzdem noch!
Nachdem ich gestern eher einen Durchhänger hatte, war der Tag heute einfach top. Ich muss mir aber abgewöhnen, mir a) selbst Ohrwürmer in den Kopf zu setzen und b) die dann auch noch mitzusingen. Auch wenn das niemand mitbekommt, ich atme dann nur wieder unregelmäßig und bekomme Seitenstechen. Wobei mir ab und zu schon danach wäre, laut zu singen. Aber es gibt erstaunlich wenig Lieder, von denen ich mehr als nur ein paar Zeilen des Textes kenne.
Was mir heute mächtig auf den Zeiger ging, waren die vielen Fliegen. Ständig schwirrten sie einem am/ums Gesicht herum. Stinke ich? Dabei habe ich doch gestern Abend geduscht? Ich glaube aber eher, es liegt an den verrottenden Weintrauben, die von der Lese übrig geblieben auf den Weinfeldern rumliegen und ein Festmahl für die Viecher sind.
Wen trifft man dann auch heute wieder auf dem Weg zum Abendessen? Tanja, klar. Da hätten wir die Etappe eigentlich auch gemeinsam laufen können. Gab (natürlich) wieder mal eine leckere Flasche Rotwein. Wenn ich so lese, was ich die letzten Tage geschrieben habe, könnte man fast den Eindruck bekommen, abends würde nur gesoffen. Aber nein, die Unterhaltungen sind wirklich toll, teilweise sehr tiefgründig, oft witzig. Im Vorfeld habe ich oft darüber gelesen, aber dieses spezielle Camino-Ding, mit fast fremden Menschen Gespräche über ernste und manchmal sehr persönliche Themen zu führen, ist wirklich, wirklich etwas besonderes
Tanja hat mich wohl heute morgen gesehen, als ich noch im dunklen an ihrer Herberge vorbei gelaufen bin. Ich weiß auch ganz genau, dass ich die Herberge von außen so halb wahrgenommen habe, aber Tanja habe ich natürlich nicht gesehen. Aber was in den Bäumen vor der Herberge abging, war hammerhart. Ich möchte wetten, da saßen mehr piepsende Vögel in den Bäumen, als Blätter an den Ästen hängen. Was ein Lärm!
Auch das Kunsthistorikerinnenpärchen ist wieder vor Ort. Die Namen sind mir aber nicht wieder eingefallen. Nicht, dass das ein herber Verlust wäre…
Als Etappenziel für morgen steht Santo Domingo de la Calzada auf dem Plan. Das sollte mit 15 km ein gemütlicher Spaziergang werden. Vielleicht schaffe ich es bis 13 Uhr ans Ziel bzw. in die Herberge. Ich bin da ja eigentlich überhaupt nicht für, aber die Pilgermesse soll sehr schön sein. Das letzte Mal in einer Messe war ich dieses Jahr kurz nach Ostern bei der Konfirmation meiner Patentochter. In den letzten 15 Jahren vielleicht drei oder vier Mal, aber nie aus eigenem Antrieb. Hochzeiten, Totenmessen, Taufe… Die Kathedrale an sich soll auch sehr schön sein. Außerdem gibt es da Hühnchen.