Camino Francés Tag 12 – Auf zum Hühnerwunder

21. Oktober 2018 – Azofra – Santo Domingo de la Calzada (16,0 km)

Sehr schöne Strecke heute. Habe beim Zusammenpacken ohne Not ein bisschen aufs Tempo gedrückt, aber im Morgennebel unterwegs zu sein, hat auch was. War ansonsten ein eher ereignisloser Tag, es gibt nicht viel zu erzählen. Sehr merkwürdig war allerdings eine Art Geisterstadt – hinter einem Golf-Resort lag ein ganzer Stadtteil, kein Haus älter als vielleicht zwei oder drei Jahre. Aber alles unbewohnt. Überall Schilder mit „zu vermieten“ oder „zu verkaufen“. Dabei war alles top gepflegt, pikobello sauber, der Rasen im Vorgarten gemäht und bewässert. Hier hat die Immobilienkrise offensichtlich voll zugeschlagen und irgendeine Wohnungsbaugesellschaft setzt jetzt alles daran, ihr Investment nicht verkommen zu lassen.

Die Kathedrale in Santo Domingo ist wirklich schön. Auch wenn der Hahn nicht gekräht hat, als ich drinnen war. Wenn er kräht, wenn man sie Kirche betritt, soll das ja ein gutes Omen für den weiteren Weg sein. Ich setze jetzt einfach mal voraus, dass das Gegenteil nicht als schlechtes Omen gilt. Warum da überhaupt ein Hahn in der Kirche ist, überlasse ich unter dem Stichwort “Hühnerwunder“ der Google-Suche.

Die Pilgermesse war nicht um 13, sondern erst um 20 Uhr. Da hätte ich mich gar nicht so anstrengen brauchen, aber dank meiner überragender Zeitplanung habe ich die Messe ohnehin verpasst, da ich zu der Zeit gerade beim Abendessen saß. Es ist mitunter also dann doch auch von Nachteil, ohne Armbanduhr unterwegs zu sein.

Nachdem ich heute über Tag nur eine Banane gegessen habe, hatte ich abends ordentlich Kohldampf. Ich habe aber standhaft jedes Pilgermenü verschmäht und habe mir stattdessen einen XXL-Burger und ein Bier, ein großes Bier gegönnt. Man gönnt sich ja sonst nichts. War unterm Strich auch nicht viel teurer, als ein Pilgermenü, aber wohl deutlich ungesünder. Beim und nach dem Essen habe ich mit Parker aus Florida, Anna aus Split, Gareth aus Dublin und Lasse aus Aarhus zusammen gesessen. Lasse ist Bordingenieur auf Superyachten, klingt echt spannend. In der Kneipe vor der wir saßen, lief auch die ganze Zeit super 70er- und 80er-Jahre Rockmusik. Höhepunkt des Abends war der gemischte Pilger- und Einheimischen-Chor zu „Have you ever seen the rain?“. Vielleicht nicht schön, aber dafür umso lauter und enthusiastischer vorgetragen.

Aufstehen wird morgen toll. Es hängen überall Schilder mit „Um 7 Uhr ist jeder wach!“. Da kommt dann bestimmt ein militärisches Rollkommando vorbei. Irgendwie muss ich dabei an Full Metal Jacket denken… Reise reise, aufstehen!

Apu und Sylvia sind mir in der Stadt auch über den Weg gelaufen und meinten, Petra wäre auch hier. Sie habe ich aber nicht getroffen.

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