22. Oktober 2018 – Santo Domingo de la Calzada – Belorado (23,2 km)
Es ist 5:30 Uhr, ein Handyalarm geht los. Ich schrecke hoch, weil es derselbe Weckton, wie der von meinem Handy ist. Erst einmal das blöde Teil finden, nur um festzustellen, dass es weder mein Telefon ist, das klingelt, noch dass ich den Alarm überhaupt angeschaltet hatte. Wozu auch? Ich bin ja ohnehin immer früh genug wach bzw. irgendjemand weckt – ob ungewollt oder nicht – alle anderen. Jedenfalls bimmelt das Handy munter vor sich hin, bis nach gefühlt 5 Minuten aus der anderen Ecke des Raumes ein „Horst! Na, also…!“ ertönt. Gefolgt von einem unwilligen „Hrgrrm“, vermutlich von Horst. Daraufhin hört man jemanden umständlich und nicht eben leise vom oberen Etagenbett klettern und in seinen Sachen kramen, woraufhin der Alarm endlich aufhört. Leider scheint Horst aber nur die Schlummertaste erwischt haben, denn nach 5 Minuten plärrt das Handy wieder los. Diesmal gefolgt von wütenden italienischen Flüchen aus einer anderen Ecke des Schlafsaals, die ich für mich persönlich mit „Mögest Du den ganzen Tag einen spitzen Stein im Schuh haben, den Du nicht los wirst!“ übersetze. Wahrscheinlich war es in Wahrheit sogar weniger jugendfrei. Ich habe dann noch versucht, wieder in den Schlaf zu kommen, aber im Endeffekt bin ich dann aufgestanden und habe mir die Zähne geputzt.
Im Hof meiner Herberge verbringen die „Freischichten“ der Kirchenhühner ihre Zeit. Als ich morgens im Garten meine Wasserflaschen aufgefüllt habe, krähte einer der Hähne aus Leibeskräften los, nur für mich. Ich finde, das zählt auch als gutes Omen!
Kurz vor dem Loslaufen doch noch Petra getroffen. Sie hat in derselben Herberge geschlafen, aber in einem anderen Schlafsaal. Wir sind dann in stiller Absprache heute gemeinsam los. Von meiner Warte aus war es auch nötig, ein bisschen Gesellschaft zu haben. Zwar gingen die gut 20 km schnell vorbei, aber unterwegs hat mich heute alles irgendwie genervt. Rucksack rutscht, Ferse tut weh, Nacken auch, Socke rutscht, geschwitzt ohne Ende… Hätte zwischendurch auch gerne einen Kaffee getrunken, aber nichts hatte offen. Früh beim Bäcker gab es ein leckeres Schoko-Croissant und ein frisches Baguette. Den kleinen, total unscheinbaren Laden haben wir eher zufällig gefunden. Aber auf dem restlichen Weg war heute Schicht im Schacht. Siesta ok, aber hinter das allgemeine System der Ladenöffnungszeiten bin ich noch nicht gestiegen. In manchen Orten haben die Läden sonntags zu und montags geöffnet, im nächsten Ort ist es dann wieder umgekehrt.
Tanja ist auch in unserer heutigen Herberge, einem alten Theater von 15hundertirgendwas, total toll, abgestiegen. Am Ortseingang gibt es offenbar eine private Herberge. Keine Ahnung ob und wie toll die ist, aber der Werbe-Etat scheint immens zu sein, denn schon einige Kilometer vorher wurde mit riesigen Plakaten geworben. Uns war das aber ein bisschen zu viel Kommerz, daher sind wir ohne die Herberge mehr als eines kurzen Blickes zu würdigen, dran vorbei gegangen. Es hat sich ja auch herausgestellt, das wir alles richtig gemacht haben, passt.
Wir hatten erst überlegt, gemeinsam etwas zu kochen, sind aber kollektiv zu faul. Daher suchen wir uns auf dem Marktplatz ein kleines Restaurant mit dem obligatorischen, aber leckeren Pilgermenü. Vor dem Essen waren wir aber noch in der Pilgermesse. Die war wirklich schön und am Ende hatte der Pfarrer nach dem Pilgersegen für jeden noch ein persönliches Wort. Zwei Mal Messe innerhalb einer Woche ist für mich wohl sowas wie ein persönlicher Rekord.