Camino Francés Tag 38 – Leerlauf

16. November 2018 – Santiago de Compostela, der Tag danach

Erst einmal ausgeschlafen. Dann noch ein bisschen liegen geblieben und mich danach auch nicht wirklich beeilt. Ich bin faul. Nach ein paar hundert Kilometern Fußmarsch darf ich das glaube ich auch sein. So um halb 11 Uhr hat es mich dann doch mal in die Stadt gezogen.

Ich möchte mir ein paar Souvenirs kaufen und vor allem eine kleine Tasche, damit ich im Bus auch ein bisschen Kram als „Handgepäck“ mitnehmen kann. Die schiere Auswahl an teilweise billigstem und/oder kitschigstem Kram überfordert mich allerdings doch ein wenig… Teilweise erinnert mich das Zeug an den Krimskrams, den unsere italienischen Nachbarn in einem riesigen Setzkasten im Flur hängen hatten, als ich noch klein war. Letztlich sind es zwei Kühlschrankmagnete und ein Muschel-Anhänger aus Kupfer für eine Halskette geworden.

Im Anschluss gemütlich bin ich auf den Platz vor der Kathedrale geschlendert und habe dabei gleich noch ein paar bekannte Gesichter getroffen. Aber leider wieder keiner der Pilger, die mir schon fast ans Herz gewachsen sind.

Weil ich anscheinend doch noch ein paar Rest-km in den Füßen habe, bin ich im Anschluss dann auch noch in den Parque da Alameda bis hoch auf den „Gipfel“ zur Kirche. Erstens zu, zweitens unspektakulär. Aber auf dem Weg zurück hat man neben dem mit Abstand größten Eukalyptus, der mir je untergekommen ist, einen tollen Ausblick auf die Altstadt bzw. die Kathedrale.

Die Pilgermesse war zwar ganz in Ordnung, aber irgendwie doch nicht das, was ich als würdigen Abschluss meines Jakobsweges erwartet hätte. Sehr unpersönlich, sachlich, trotzdem musste ich beim Halleluja schwer schlucken. Überhaupt war der Gesang einer jungen Nonne wirklich schön. Den Botafumeiro habe ich leider nicht fliegen sehen, das geschieht nur noch an hohen Feiertagen, im Sommer freitagabends oder wenn jemand dafür zahlt. Aber ehrlich gesagt, ist mir das wurscht. Wäre sicherlich nett gewesen, das Spektakel mal zu sehen. Aber ich mag den Geruch von Weihrauch ohnehin nicht. Kindheitsprägung – in den Schulmessen hatte unser Pfarrer Löhr die Kirche immer zugequalmt, als gäbe es kein morgen…

Wenn ich wirklich die Wahl hätte, würde ich weiterlaufen. Aber irgendwann laufe ich dann wirklich nicht mehr irgendwo hin oder auf irgendetwas zu, sondern vor etwas weg. Also, man sollte ja aufhören, wenn es am schönsten ist.

Die Rückfahrt wird leider nicht entlang des Jakobswegs, zumindest nicht des Camino Frances, erfolgen, der Bus nimmt die Route zu den größeren Städten an der Küste (Gijón, Santander, Bilbao). Aber ist ja auch schön, dann sehe ich doch noch das Meer.

Es gibt eigentlich nur noch drei Dinge, die auf meiner Liste stehen: Mir die Kathedrale noch einmal anschauen, wenn sie in der Dunkelheit angestrahlt wird. Zum Abschluss noch lecker Abendessen gehen. Für die Busfahrt ein wenig einkaufen. Letzteres kann ich aber auch morgen früh auf dem Weg zum Busbahnhof machen, heute habe ich da keine große Lust mehr zu.

Santiago ist wirklich schön. Die Gebäude, die Straßen, die Parks, alle irgendwie stimmig. Richtig genießen kann ich die Stadt trotz des unglaublich schönen Wetters aber irgendwie nicht. Ich muss die ganze Zeit daran denken, dass die Reise, das Erlebnis Jakobsweg, für mich zu Ende ist. Trotzdem habe ich eine größere Runde durch die Stadt gedreht und habe mir zwischendurch die Sonne auf den Pelz scheinen lassen. Ich mag ja irgendwie Dudelsäcke, es gibt wirklich schöne Stücke schottischen oder irischen Folks. Aber unter dem Torbogen an der Seite der Kathedrale hat (gestern auch schon) jemand auf einer Gaita, einer Art galicischem Dudelsack gespielt. Laut. Ausdauernd. Das klang irgendwie, als würde jemand eine Ziege quälen. Aber abgesehen davon war der Tag als Ausklang zwar nicht perfekt, aber angemessen. Ich kann allerdings nicht wirklich behaupten, dass ich mich freue, zurückreisen zu müssen…

2 Gedanken zu “Camino Francés Tag 38 – Leerlauf

  1. Audrey im Wanderland – Bloggerin bei Audrey im Wanderland, meinem Fernwanderblog, auf dem ich fast 2.500 erwanderte Kilometer Etappe für Etappe zum Leben erwecke. Nach dem „Prinzip Lindenstraßen“ gibt es jeden Sonntag einen neuen Tagesbericht zum Nachlesen.
    Audrey im Wanderland

    Wie ich den Gaia-Spieler beim ersten Mal gehasst habe!!! Die Bustour zurück ist übrigens der Camino del Norte. Und der ist traumhaft. Ende Mai geht es weiter

    1. Im Nachhinein erinnert mich das Gedudel an das „Düüüü düdüeldü düüü“, dass man früher im Radio gehört hat, wenn man die Frequenz bis an den Rand der Skala runter gedreht hat 😅

      Freue mich schon auf Deinen Bericht. Aber erstmal verfolge ich Deinen Portugues, da geht’s für mich nächstes Jahr hin. So zumindest der Plan.

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