Mosel-Camino Tag 1 – On the road again

08.04.2019 – Koblenz-Stolzenfels – Alken (ca. 20 km)

Heute starte ich mit meinen Mosel-Camino. Vor einigen Wochen ja schon angekündigt, folgen jetzt in den kommenden Tagen die Berichte meiner 7-tägigen (Tor-)Tour von Koblenz bis nach Tier. Ich hoffe, meine Erlebnisse gefallen Euch genauso, wie die meines Camino Frances. So oder so – Kommentare, Kritik und Feedback fast jeglicher Art sind immer gerne gesehen. Im Gegensatz zu meinem Weg durch Spanien habe ich hier nicht „manuell“ Tagebuch geschrieben und die Blog-Beiträge erst Monate später erstellt, sondern habe direkt auf dem Weg bzw. abends alles taufrisch digital erfasst. Während der Frances vorwiegend für mich war und ich viele, teilweise sehr persönliche Erlebnisse nicht veröffentlicht habe, sehe ich den Mosel-Camino viel entspannter und – da es recht wenige Berichte über diesen Teil der Jakobswege gibt – versuche durch meine Beschreibungen ein bisschen Begeisterung zu wecken.

Also: Ab auf den Mosel-Camino! Mein persönliches Ziel ist es, bevor ich Anfang Mai meinen neuen Job antrete, nochmal ein wenig abzuschalten und das letzte halbe Jahr sacken zu lassen. Ganz gemütlich bin ich um 5:30 Uhr heute Morgen an meiner Haustüre gestartet. Gleich im Treppenhaus habe ich zwei meiner Nachbarn getroffen, die mich angeschaut haben, wie ein Auto. Große Kerle mit riesigen Rucksäcken sieht man ja auch nicht jeden Tag. Aber bevor es zur S-Bahn ging, musste ich erst einmal noch kurz links abbiegen und am Geldautomaten noch ein bisschen Bares abholen. Die meisten Leute, die um die Uhrzeit mit der Bahn zur Arbeit fahren, sehen aus wie Zombies. Sture Blicke geradeaus und bloß keine Kommunikation. Nur bei mir nicht, die doofen Blicke auf meinen Rucksack (ok – und mich in meinen Wanderklamotten) gingen in der Bahn direkt weiter. Die Leute hier sind wohl einfach nicht gewohnt, dass man mal eben seinen halben Hausstand auf dem Rücken durch die Lande schleppt.

Die Bahnfahrt war denkbar unspektakulär, vom wunderschönen Mittelrheintal habe ich wegen Dämmerung und Frühnebel leider nicht viel sehen können. Die Verbindung von Frankfurt nach Koblenz mit dem Intercity und von da weiter mit dem Bus nach Stolzenfels hat gut gepasst, kurz vor halb 9 war ich da. Ich musste allerdings feststellen, dass ich, bevor ich überhaupt den ersten Schritt gepilgert bin, schon den ersten Umweg gemacht habe – ich hätte auch nur bis Boppard fahren und von dort den Bus Richtung Norden nach Stolzenfels nehmen können. So bin ich ein Stück weit wieder zurück gefahren. Aber das spielte eh‘ keine Rolle, da ich ohnehin viel zu früh da gewesen bin. Dienstzeit der Ortsverwaltung, in der ich mir meinen Credential*) für den Mosel-Camino geholt habe, ist exakt von 9:00 bis 10:00. Die nette Dame, die dort Dienst tut, kam aber schon etwas früher und hat mich netterweise direkt mit einem „Sie warten doch sicher auf mich!“ mit hineingenommen, sodass ich um Punkt 9 starten konnte. Manche deutsche Amtsstube ist halt doch nicht soooo verstockt. Ihren Wunsch „Einen guten Weg!“ habe ich natürlich auch gerne angenommen, klingt aber irgendwie merkwürdig in meinen Ohren. Die spanische oder meinetwegen die portugiesische Variante ist mir lieber. Aber letztendlich kommt es ja aufs selbe raus.

Das Wetter für die gesamte Woche soll einigermaßen angenehm werden. Nicht zu warm und nicht zu kalt, dazu wenig bis kein Regen. Passt.

Der Anstieg vom Stolzenfelser Rheinufer am Schloss vorbei (das montags selbstverständlich geschlossen hat, also kein Stempel für mich) in Richtung Merkurtempel hat es als Start schon in sich. Es geht eine ganze Weile stetig bergauf, war unterm Strich aber trotzdem schaffbar. Es macht sich schon bemerkbar, dass ich seit dem Camino Frances eigentlich nur Couch-Potato war… Bis auf ein paar vereinzelte Jogger und Radfahrer war ich heute komplett alleine unterwegs. Unterwegs bin ich auch nur ein Mal angesprochen worden, von einem älteren Herrn mit Hund, der wissen wollte, wo ich denn mit dem großen Rucksack hin wolle. Es ist schon recht einsam, aber genau darauf hatte ich es ja auch angelegt.

Ein großer Teil der Strecke führt wunderschön durch den Wald. Es ist total still, wenn man von dem Konzert der gefühlt eine Million Vögel absieht.

Zwischendurch bin ich ein Mal falsch abgebogen – an einer Weggabelung war die geliebte gelbe Muschel auf blauem Grund ein bisschen widersprüchlich angebracht. Also wie weiter? Geradeaus oder doch eher links? Der Weg links erschien mir sinniger, da nicht so steil. War natürlich falsch. Zumindest gab es eine Weile lang keine Wegweiser. Aber zurück zur Kreuzung laufen wollte ich auch nicht In Serpentinen ging es den Berg hoch, aber da der Weg nicht über den Bergkamm führte und die Richtung auch nicht so falsch war, dachte ich mir, dass wohl beide Wege früher oder später schon wieder zusammenfinden werden. So war es dann auch, ungefähr anderthalb Kilometer später blitzte die gelbe Muschel von gleich mehreren Vogel-Nistkästen und Fledermaus-„Sommerquartieren“ zu mir rüber. Zur Feier des Tages und weil eine schöne Holzbank es quasi angeboten hat, gab es erst einmal fünf Minuten Pause.

Irgendwann hinter Waldesch habe ich üble Wadenkrämpfe bekommen. Da frage ich mich, warum ich (wie vor jeder größeren Wanderung in den letzten Jahren) seit einer Woche extra Magnesium schlucke. Sowas hatte ich seit Ewigkeiten nicht mehr. …und so anstrengend war es ja nun auch nicht. Habe daher die Mittagspause in der Autobahnraststätte Mosel-West, an der der Camino vorbeiführt, ordentlich ausgedehnt. Bei XXL-Milchkaffee und Schoko-Croissant kommt schon fast Camino-Feeling auf! Es fehlte nur der frisch gepresste Orangensaft. Entsprechend einer Raststätte ein wenig teuer, aber es gibt hier immerhin auch einen Stempel für den Pilgerpass. Von hier sind es noch etwa 7 km bis Alken, dann reicht es aber auch für den ersten Tag.

Nach meiner Mittagspause habe ich am letzten Anstieg mit einem Mal doch extrem kämpfen müssen, da ging fast nix mehr. Aber mit zwischendurch durchpusten und – ja, ich stehe dazu – 5 Minuten dösen in der Sonne war auch das irgendwann geschafft. Ich habe wahrscheinlich heute Vormittag einfach zu wenig getrunken – und dass ich nur zwei Bananen zum Frühstück hätte, war auch Mist. Aber den Fehler mache ich auch immer wieder.

Dadurch, dass ich so langsam unterwegs war, habe ich doch glatt noch zwei Pilger getroffen. Unterwegs haben wir uns ein bisschen unterhalten, aber was mir im Nachhinein aufgefallen ist, komischerweise nicht gegenseitig vorgestellt. Ich weiß von dem einen nur, dass er vorher bereits den Lahn-Camino gelaufen ist. Davon war er nicht so begeistert, da er wohl sehr schlecht ausgeschildert ist.

Meine Herberge ist total toll, das Zimmer ist urgemütlich und das Bett ist so bequem, dass ich nie wieder aufstehen möchte. War erst gegen 17 Uhr da. Das lag aber nicht nur an meinem langsamen Tempo, sondern daran dass ich mich auch noch total mit den beiden Pilgern an der Wallfahrtskirche in Bleidenberg verquatscht habe, die ich dort wiedergetroffen hatte. Von hier oben aus sieht man übrigens die Mosel zum ersten Mal, zumindest wenn man nicht von Norden aus nach Koblenz angereist ist. Der Weg von dort bergab nach Alken bzw. zum Moselufer wäre eigentlich ein sehr steiler, steiniger Kreuzweg. In meinem gelben Pilgerführer wird allerdings eine einfachere Route über Oberfell beschrieben. Ich scheine aber irgendwo falsch abgebogen zu sein, so dass ich zwar auf halber Strecke zwischen Alken und Oberfell am Moselufer ausgespuckt wurde, dazu aber einen ultimativ ätzenden, steilen, steinigen Weg quer durch die Weinberge nehmen musste. Meine Herren, was hatte ich weiche Knie, als ich unten angekommen bin.

Nach einer total angenehmen Dusche wollte ich mir gleich um die Ecke etwas zu essen jagen gehen. Einfacher gesagt, als getan – viele Weinstuben und Straußwirtschafen haben noch geschlossen und – tadaaaaa – der Großteil vom Rest hat montags Ruhetag. Genau das, was man mit einem riesigen Loch im Bauch braucht. Letztendlich habe ich in einem der Hotels am Ufer gegessen – und das ganz hervorragend!

Man merkt jetzt schon extrem, wie viel teurer das Leben in Deutschland verglichen mit Spanien ist – zumindest als Pilger. Während man in Spanien auf dem Camino, wenn man gut haushält, mit 30 € am Tag auskommt und dafür Bett, Dusche und ordentlich was zu essen bekommt, sind alleine für die Unterkünfte auf dem Mosel-Camino schon locker 40€ fällig. Es sind halt überwiegend Pensionen und keine (Pilger-)Herbergen. Da gibt es genau zwei Stück – aber dazu in den späteren Berichten mehr.

Ein großer Unterschied ist, dass man auf dem Mosel-Camino recht eingeschränkt bei der Etappenwahl ist. Zum einen geben die Abstände der Ortschaften teilweise schon die Länge der halbwegs sinnvollen Tagesmärsche vor. Zum anderen teilt man sich die Unterkünfte mit „normalen“ Touristen und – zumindest ich habe das getan – sollte immer schon ein, zwei Tage im Voraus (in der Hauptsaison wahrscheinlich noch mehr) eine Unterkunft reservieren. Dadurch ist es natürlich schwierig, Etappen spontan zu verlängern oder zu verkürzen.

*) Für alle, die irgendwann einmal bis Santiago de Compostele wollen: Hier bekommt man nicht den offiziellen Credential, wie ihn z.B. das Bistum Trier oder die Deutsche Jacobus-Gesellschaft in Aachen ausgibt. Es handelt sich um einen regionalen Pilgerpasse, der vom Pilgerbüro in Santiago (soweit ich weiß) nicht akzeptiert wird.

4 Gedanken zu “Mosel-Camino Tag 1 – On the road again

  1. aurorawillwandern – Bonn, Germany – Ich gehe gern wandern. Allein oder mit ander'n.
    aurorawillwandern

    Hallo Stefan,
    wie schön, dass du meinen Blog abonniert hast, denn so wurde ich neugierig, wer sich hinter deinem Konterfei verbirgt und bin auf deinen Blog gestoßen. Er macht Lust darauf, mehr zu lesen.
    Gruß, Aurora

    1. Halli-hallo 🙂
      Ja, ich gebe zu, ich bin meistens der Typ “stiller Mitleser“. Wenn Du so möchtest: ich schweige und genieße.
      Vielen lieben Dank für die Blumen! Wenn ich meine Beiträge mit so manch anderen vergleiche, ist der Informationsgehalt bei mir wohl eher gering, ab und an fällt mir ja selbst auf, dass da auch ein bisschen mehr Würze rein müsste. Aber das bin ich, das ist mein Stil; und wenn sich dann doch jemand dafür interessiert oder sich unterhalten fühlt, umso schöner.
      Lieben Gruß
      Stefan

  2. Audrey im Wanderland – Bloggerin bei Audrey im Wanderland, meinem Fernwanderblog, auf dem ich fast 2.500 erwanderte Kilometer Etappe für Etappe zum Leben erwecke. Nach dem „Prinzip Lindenstraßen“ gibt es jeden Sonntag einen neuen Tagesbericht zum Nachlesen.
    Audrey

    Ach Stefan,
    ich sitze gerade an meinem (3,5 Jahre überfälligen) Info-Gesamtartikel über den Mosel-Camino und suche noch gute Texte zum Verlinken, sodass ich heute noch mal in die Tiefen deiner Wanderung mit ordentlich Luft nach oben (Lunge wie Erlebnis) eingetaucht. Ich musste wirklich stellenweise heftig lachen. Das war echt ausbaufähig, was dir da widerfahren ist. Und ein bisschen schuldig fühle ich mich auch. Werde also guten Gewissens auf deine Beiträge verlinken. Dann wissen die Leser, dass Pilgern nicht nur Spaß bedeutet 😉
    Hoffe, es geht dir gut
    Audrey

    1. Hallo Audrey,

      entschuldige bitte meine etwas längere Leitung. Ich war die vergangenen Tage auf Tour (mehr davon in den kommenden Tagen) – da war das WLAN zwar kostenlos, aber leider nicht vorhanden…

      Momentan geht es bei mir. Nicht toll, nicht unbedingt gut, aber deutlich besser, als in den letzten Monaten. Hoffe, bei Dir ist alles gut?

      Ja, mein M-C war… anders… – aber ich würde nie behaupten, dass er deswegen schlecht gewesen wäre. Es kamen halt ein paar Dinge zusammen, die sich unglücklich gefügt haben. Andererseits waren andere Orte bzw. Momente wirklich schön. Alles in allem möchte ich nichts davon missen. Gehört alles irgendwie dazu. Wenn es immer nur eitel Sonnenschein wäre, wäre es auf Dauer ja auch langweilig, oder?

      Viele Grüße
      Stefan

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