Mosel-Camino Tag 4 – Gipfelstürmer

11.04.2019 – Marienburg – Traben-Trarbach (24 km)

Ich habe diese Nacht hervorragend geschlafen. Auch wenn es gestern Abend noch ein bisschen lauter war, aber das wundert jetzt nicht unbedingt, wenn eine Horde Jugendlicher hier fernab von zu Hause ist. Aber das Lärmen hat mich absolut nicht gestört, irgendwann war ich so müde, die Kids hätten bei mir auf dem Bett rumhüpfen können und ich hätte es nicht gemerkt.

Das Frühstück heute Morgen war genauso hervorragend, wie gestern das Abendessen. Aber ich muss immer wieder feststellen, dass wenn ich morgens zu viel esse, liegt mir das bis mittags wie ein Stein im Magen. Wobei „zu viel“ jetzt relativ ist. Heute waren ein Brötchen, ein Ei und eine Tasse Kaffee schon drüber…

Von der Marienburg bis runter nach Zell war es sehr angenehm zu laufen. Selbst der Anstieg auf dem Bummkopf war mit zwei größeren Pausen prima zu meistern. Die beiden Aussichtspunkte waren aber auch zu verlockend. Ich glaube aber, dass der Bummkopf für Pilger / Wanderer mit Kniebeschwerden eine Spur zu heftig sein könnte. Einige Abschnitte gingen wortwörtlich über Stock und Stein. Zwar waren das recht kurze Abschnitte, aber es war steil und uneben. Bei Nässe sicherlich sehr rutschig.

Am Bummkopf hat mich Thomas überholt. Mit ihm habe ich heute Morgen noch zusammen gefrühstückt und er ist eigentlich eine ganze Weile vor mir losgezogen. Aber er hat mir gestanden, dass er in Zell wohl noch eine kleine Weinprobe gemacht hat, da habe ich ihn wohl ein- und überholt. Er hatte noch Susanne im Schlepptau. Sie ist auch am Montag in Stolzenfels losgelaufen, wir haben uns aber bisher komischerweise nicht getroffen. Dem Dialekt nach Schwäbin. Sie läuft so weit, wie es geht, da sie den Camino wohl leider früher abbrechen muss – ihr Chef braucht sie spontan dringend bei der Arbeit. Das hatte ich Gottseidank bisher erst ein Mal, sonst war Urlaub bei mir immer Urlaub. Ätzend sowas, die Erholung geht dadurch komplett flöten.

Auf dem „Gipfel“ des Bummkopf habe ich mich dann pünktlich zur Mittagszeit in die Sonne gelegt und ausgiebig die Seele baumeln lassen. Der Abstieg nach Enkirch war im Anschluss auch gut schaffbar, hat sich aber auch ein wenig gezogen. Wenn ich ehrlich bin, waren ein, zwei kurze Stücke schon ätzend, da es sich auf losem Geröll steil bergab nicht wirklich gut läuft. Feste Wanderschuhe hin, Stöcke für die Balance her. Zwischendurch gab es auch wieder Camino-Allerlei, frisch vom Wildschwein gepflügt. Aber heute konnte mich nichts aus der Bahn werfen! Ich habe mich so gut gefühlt, dass ich dachte „Jo, den restlichen Weg nach Traben-Trarbach schaffe ich auch noch locker. Kann ja nicht schlimmer sein, als der Bummkopf.“ Pustekuchen – aber dazu gleich mehr. In Enkirch „durfte“ ich jedenfalls noch einmal eine Pause einlegen, da die Touristen-Info mitsamt Pilgerstempel von 12-14 Uhr Mittagspause hat. Nur gut, dass es schon Viertel vor zwei war, ansonsten wäre ich wohl unverrichteter Dinge weitergezogen. Aber Stempel gehören zum pilgern dazu, verdammt noch eins!

Vom Zentrum (ja, auch Enkirch hat sowas) ging es von Anfang an schon recht steil bergauf. Hinter einer schönen, historischen Feuerwache kamen dann auch noch Stufen dazu. Stufen und noch mehr Stufen. Habe ich erwähnt, dass es Treppen hochgeht? Leider Gottes dazu auch noch unregelmäßige Tritte, sodass es fast nicht möglich war, halbwegs in sowas wie ejnem Rhythmus dort hoch zu kommen. Am oberen Ende bei einem Aussichtspunkt bin ich dann spontan ins Gras gefallen und habe gewartet, bis meine Lungenflügel auch den Weg nach oben geschafft haben. Bei der sehr ausgiebigen Verschnaufpause hatte ich dort sogar tierischen Besuch. Aber Eddie Eidechse hatte wohl keinen Bedarf an tiefgründigen Pilgergesprächen. Naja.

Der restliche weg nach Starkenburg hat mich dann endgültig geschafft. Immer wieder rauf und runter und vor allem immer wieder: Stufen. Immerhin geht es bis kurz vor Starkenburg auf dem Grat entlang, mit wirklich tollen Aussichten auf die Mosel. Das Café „Schöne Aussicht“ hat leider geschlossen und sieht auch nicht so aus, als ob es in naher Zukunft wieder öffnen würde. Kurz vor meinem Etappenziel hatte zu guter Letzt auch das Café an der Ruine Grevenburg geschlossen. Zufällig habe ich aber den Wirt hinein huschen sehen. Nach einem beherzten Klopfen meinerseits hat er mir zwar netterweise die Tür geöffnet und mir zumindest meinen Pilgerstempel gegeben, aber ich hätte mir viel mehr ein großes Glas kaltes Irgendwas gewünscht. Eigentlich hätte offen sein sollen, aber die Stadt hat wohl derzeit Schwierigkeiten damit, Wasser den Berg hoch zu pumpen. Ohne Arme keine Kekse oder in dem Fall, ohne Wasser weder Kaffee noch Kochen noch Toilette.

Bei der Ruine saß Susanne auf einer Bank und war mindestens genauso platt wie ich. Kurz nachdem ich mich neben sie gesetzt hatte, kam eine Schicki-Micki – weil mir kein anderes Wort einfällt – Wanderin aus dem Tal hoch zur Ruine, baute sich vor uns auf und fragt in einem extrem herablassenden Tonfall, ob wir ihr und ihrer Wanderbegleitung (die nirgendwo zu sehen war) denn „bitte“ Platz machen, sie seien schließlich totaaaaaaal geschafft. Susanne und mir sind synchron die Gesichtszüge entgleist und wir haben ihr nur ein erbostes “Wir auch!” entgegen geschmettert. Danach hat sich die Dame noch darüber beschwert, dass sie totaaaaal durstig sei und warum denn das Restaurant geschlossen habe, schließlich habe sie ja kein Wasser mitgenommen. Mein Mitleid hielt sich in sehr engen Grenzen. Ernsthaft mal… Leute gibt’s, die gibt’s gar nicht…

Von der Ruine aus geht der weitere Weg steil bergab. Wobei es wohl eine Alternative gibt, sofern man ganz bis runter an die Mosel bzw. auf die andere Seite nach Traben möchte. Da mein Ziel allerdings in Trarbach liegt, ging es von der Ruine aus erst einmal zügig Richtung Zubringerstraße, die allerdings von der Beschaffenheit schwer an die seit 1000 Jahren vernachlässigten Römerstraßen in Spanien erinnert. Irgendwann gab es dann zur Abwechslung und meiner ganz persönlichen Freude wieder Stufen. Diesmal allerdings abwärts, vorbei an einem Kriegerdenkmal. Auch wenn man unregelmäßige Stufen nicht hinauf- sondern hinunter steigen muss, macht es das kein Stück besser.

Gegen 17:30 Uhr und nach einem, aus Sicht meiner müden Knochen, vollkommen unnötigen, steilen Erklimmen der Kirchgasse in der Herberge, der Alten Lateinschule angekommen. Die wollte ich mir, als eine von zwei “echten” Pilgerherbergen am Mosel-Camino keinesfalls entgehen lassen. Die zweite ist in Klausen, da werde ich mich dann morgen einquartieren. Aber hier, heute und jetzt: Niemand zu Hause. Fuchs wie ich bin, entdecke ich aber einen subtilen Hinweis an der Türe. Man solle doch bitte anrufen, wenn niemand vor Ort ist, garniert mit einer Telefonnummer. Kurz mit Frau Böcking telefoniert, der Besitzerin. Sie hat mich irgendwie erst einen Monat später erwartet, ist zwar schon auf dem Weg nach Hause, braucht aber noch etwa eine halbe Stunde. Aber sie hat mir verraten, wo der Schlüssel versteckt ist, so dass ich wenigstens rein konnte, duschen. Nie war eine Dusche nötiger! Bis Frau Böcking nach Hause kam, war ich schon wieder frisch und munter (gut, munter nicht wirklich) und habe im schönen Vorgarten Tagebuch geschrieben. Ihr war das Missverständnis sehr peinlich, aber dazu gab es von meiner Seite aus gar keinen Grund. Ist doch alles gut gelaufen, der Camino richtet es schon. Die Herberge habe ich dazu auch noch für mich alleine.

Abends stehe ich aber noch vor einem schwerwiegenden Problem: Es gibt in der Herberge kein Abendessen. Und ich habe nicht die geringste Lust, noch einmal die Kirchgasse runter zu stiefeln, um mir irgendwo etwas zu essen zu suchen. Vor allem nicht, nach dem Essen den Berg wieder hoch zu laufen! Vielleicht gibt es ja einen Pizzaservice der netterweise bis an die Tür liefert? Den gibt es natürlich nicht. Da ich keinen sauren Apfel hatte, in den ich beißen konnte, bin ich also noch einmal losgezogen. Ohne Rucksack war der Weg runter bis zur nächsten Gaststätte aber doch in Ordnung. Das Essen war hervorragend und viel zu viel, ich bin in tiefem Fresskoma geendet. Den Weg zurück hoch in die Herberge haben meine Füße dann fast alleine gefunden. Auch die zweieinhalb Etagen bis zum Schlafsaal. Wieder Stufen… Danach war der Akku aber wirklich leer.

Aber die eigentliche Frage des Tages ist, warum meine Autokorrektur unbedingt aus dem Bummkopf einen Brummkopf machen möchte 😀

2 Gedanken zu “Mosel-Camino Tag 4 – Gipfelstürmer

  1. Hallo Stefan
    habe deinen Bericht vom Moselcamino erst heute gelesen.Sicher haben dich schon jemand darauf aufmerksam gemacht. dass die Pilgerherberge ,,Alte Latainschule“ im Stadtteil Trarbach liegt und nicht wie bei dir beschrieben in Traben.
    LG Marion

    1. Oha! 😳 Das ist tatsächlich noch niemandem aufgefallen, Du hast natürlich vollkommen Recht!

      Ich bitte hiermit alle Traben-Trarbacher förmlich um Entschuldigung, der Fehler wird umgehend behoben. Wobei… Nach drei Jahren kann das ja schon fast so bleiben. Tradition und so 😅

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