Eifelsteig Etappe 1 – Ach, hätte ich nur…

28. Mai 2020 – Aachen – Kornelimünster – Roetgen (14 + 15 + 1 km)

Seit Wochen hangele ich mich von Spaziergang zu Spaziergang. Ist auch schön, aber ich möchte mal wieder so richtig „raus“. Hier am Dreiländereck ist das aber immer noch nicht so einfach. Die Niederlande raten immer noch von nicht notwendigen Reisen ins Land ab und behalten sich vor, Touristen auch wieder nach Hause zu schicken. Belgien ist da noch rigoroser, die Grenze dorthin ist für Touristen immer noch komplett geschlossen.

Letzteres ist auch der Grund, weshalb nach der ersten Etappe die Fortsetzung des Eifesteigs direkt Mal noch ein bisschen warten muss. Denn die zweite Etappe führt durch das Hohe Venn über belgisches Gebiet. Laut der Touristenauskunft in Monschau (Ziel der 2. Etappe) ist es „strengstens untersagt“, dort zu wandern und es wird auch regelmäßig kontrolliert. Wird man erwischt, sind mindestens 250€ fällig und ein Taxi mit Blaulicht an die Grenze gibt es obendrauf.

Aber der Rest läuft ja nicht weg und vielleicht sieht das in ein, zwei Wochen schon wieder anders aus. Das lange Wochenende an Happy Kadaver steht ja vor der Türe.

Aber jetzt erstmal zurück zur ersten Etappe. Witzigerweise bin ich (zieht man den zusätzlichen Tag vom Schaltjahr ab) auf den Tag genau ein Jahr nach Aurora die Strecke gelaufen. Das ist aber wirklich nur Zufall! Auch einige Fotos sind sich sehr ähnlich bis identisch. Markante Punkte führen halt zu Zuckungen am Finger, der den Auslöser drückt 😅

Also: Ach, hätte ich nur…

…den Bus bis Kornelimünster genommen

Bei meinen Überlegungen, wohin ich denn als nächstes Wandern möchte, gab es eigentlich nur zwei wesentliche Punkte:

  • Am Zielort vernünftig übernachten können. Zelt wäre auch ok.
  • Grundsätzlich keine lange Anfahrt, bestenfalls so, dass wenn keine Übernachtung möglich, ich vernünftig wieder nach Hause komme.

Durch die Einschränkungen bleibt ohnehin nur Deutschland, die Anreise reduziert den Umkreis auf das Rheinland. Übernachtungen an potentiellen Wanderzielen zu finden, ist kurzfristig fast unmöglich. Entweder alles ausgebucht – selbst Zeltplätze! – oder sinnbefreit überteuert. Einen kurzen Stadtrundgang durch Köln hatte ich die Tage schon und am Drachenfels war ich auch. Was also liegt näher, als die Eifel? Im wahrsten Sinne des Wortes. Zwar kenne ich diverse Stellen dort schon, aber abgesehen von zwei Etappen des Wildnis-Trails sind das alles immer nur punktuelle Ziele gewesen.

Der Eifelsteig fängt in Kornelimünster an. Das schmucke Örtchen ist ein Wallfahrtsort und liegt als Vorort Aachens laut Google Maps nur 8 km zu Fuß von meinem Zuhause entfernt. Da die erste Etappe mit gemütlichen 14 Kilometern angegeben ist und recht moderate Höhenmeter aufweist, denke ich mir: „Da gehste doch zu Fuß hin!“ Die dann 22 km sind doch ein entspanntes Tagesprogramm, oder?

Gesagt, getan. Also Tagesrucksack gepackt, Wanderschuhe geschnürt und losmarschiert.

Frankenberger Dom aka. Herz-Jesu-Kirche

Von meiner Haustüre aus sind es gerade mal 5 Minuten bis zum Frankenberger Dom. Eine, wie ich finde, beeindruckende Kirche, da sie von der Stadt aus gesehen auf einem hohen Sockel „thront“. Von da aus geht es geradeaus Richtung Süden aus der Stadt. Eigentlich.

Denn ein einziges Mal ziehe ich mein Handy aus der Tasche und werfe einen Blick auf Google Maps. Die Navigation lotst mich nach links. Ich weiß nicht, was ich in dem Moment im Kopf hatte (nicht viel, offensichtlich), aber ich biege links ab. 🤦🤷

Dazu muss man wissen, dass ich nicht den kürzesten Weg nach Kornelimünster gehen will. Denn der führt zu großen Teilen an einer viel befahrenen Bundesstraße entlang und im Weiteren an einer Landstraße, bei der ich mir nicht sicher bin, ob es da einen Fußgängerweg gibt. Diese Strecke wäre etwa 1,5 Kilometer kürzer. Und Google will mich genau dort entlang lotsen. Bis ich merke, wie blöd ich war, lohnt es sich aber nicht mehr gleich kehrt zu machen. Also gehe ich bei nächster Gelegenheit rechts und dann noch einmal rechts, bis ich nach etwa 500 Metern und 50 Höhenmetern extra dann dort bin, wo ich eigentlich rausgekommen wäre.

Ab hier geht es nur noch durch Feld, Wald und Wiese. Ab und an sind Jogger und Leute mit ihren Hunden unterwegs. Es ist herrlich still, sieht man mal vom Gezwitscher der unzähligen Vögel ab, die in den Büschen und Bäumen um mich herum sitzen. Zwischendurch wiehern und schnaufen Pferde, denn der Weg führt an einigen Koppeln vorbei.

Ein Kollege lässt sich aber von dem Geschrei gar nicht beeindrucken – auf einer Weide sucht ein Storch nach Futter. Ein Storch! Ich finde diese Vögel total toll. Das Rheinland ist nun wirklich nicht als Brutgebiet bekannt, ich selbst kenne nur ein einziges Nest, in Zons am Rhein. Adebar macht hier eigentlich nur nur kurz Zwischenstopp auf seinem Weg von Afrika bis nach Hause.

Auch sonst sind viele Insekten unterwegs. Die in voller Blüte stehenden Wiesen und Büsche brummen vor lauter Bienen. Überall schwirren Libellen herum, aber kaum Schmetterlinge. Die meisten dieser Gesellen wollen sich aber partout nicht fotografieren lassen.

An einem Baum am Weg finde ich einen Glücksstein. „Verliebte Zahlen ergeben 10“. Ich denke da den nächsten Kilometer drüber nach, aber das ist mir bisher noch nicht untergekommen. Verliebte Zahlen? Ist aber wohl ein pädagogischer Trick, um Kindern das Rechnen beizubringen. Die Pädagogen in meiner Grundschulzeit waren wohl noch nicht so weit 😅

Irgendwann stoße ich auf den ersten Wegweiser nach Kornelimünster. Ab hier bin ich auf einem der offiziellen Eifelsteig-Zubringer. Aber die Entfernungsangabe lässt mich stutzen. Noch 6 Kilometer? Laut meinem Schrittzähler (ich ziehe großzügig 10% und den Umweg ab) bin ich doch schon 7 km gelaufen?! Macht dann 13. Na gut, dann sind es halt ein paar Kilometer mehr.

Ab hier verläuft auch der Jakobsweg Aachen-Trier parallel zum Zubringerweg. Die gelbe Muschel sehe ich jetzt also auch fürs erste an jedem Wegweiser, Laternenpfahl und Straßenschild. Für Portugal ist das aber trotzdem nur ein mauer Ersatz!

Weiter geht es durch Wald und Flur, unter anderem über die Straße „Bierstrauch“ – und ich denke mir, das wär’s doch!. Hopfenkaltschale frisch vom Strauch. Wegbier mal anders. Aber kein Bier vor vier, außerdem will ich in Kornelimünster erstmal frühstücken, will heißen: eins meiner Butterbrote verputzen.

Ich freue mich, als ich an einem Wegweiser vorbei spaziere, der die Strecke bis Kornelimünster mit nur noch 2,0 km angibt. Ich freue mich nicht mehr so, als auf dem nächsten Schild eine 3,5 steht. Das ist ja wie in Spanien, die haben die Zahlen gefühlt auch gewürfelt!

In Kornelimünster angekommen, stehen 14 km auf der Uhr. Eigentlich nichtmal halb so wild, aber die eigentliche Etappe hat ja noch nicht einmal angefangen. Zu dem Zeitpunkt stört mich das aber überhaupt nicht. Denn die Strecke war wirklich angenehm zu gehen, schöner Untergrund mit wenig Asphalt, kaum Straßen und immer wieder was fürs Auge.

Trotzdem werde ich es am Ende des Tages für eine blöde Idee halten, gelaufen zu sein. Denn ich bin zur Zeit nicht wirklich in Übung, was Wandern angeht. Und von 0 auf 30 Kilometer ist vielleicht nicht so schlau. Am Ende wird es dann auch wirklich anstrengend, zumal die 30 bei mir schon immer die magische Grenze war, ab der es unentspannt wird.

Meinen Füßen ging es die ganze Zeit über aber gut und das allerwichtigste: Mein Knie macht inzwischen überhaupt keine Probleme mehr. Dafür zickt aber mein Rücken ein bisschen rum, denn:

Ach, hätte ich nur…

…meinen großen Rucksack mitgenommen

Ich gehe eine Tagestour. Also trage ich auch nur einen Tagesrucksack. Logisch, oder?

Viel habe ich schließlich auch nicht dabei. 2 Liter Wasser, 2 Butterbrote, Müsliriegel, Apfel, Geldbeutel, Hausschlüssel, Sonnencreme, Kamera, Handy, halbe Rolle Tape für den Fall der Fälle, Taschentücher. Das ist alles nichts, was einen großen Rucksack rechtfertigen würde.

Aber ich habe bisher keinen Tagesrucksack gefunden, der mir wirklich passen würde. Selbst mein großer Tourenrucksack ist schon grenzwertig, was die Länge des Rückenteils angeht. Aber bei den kleinen Rucksäcken darf ich wählen zwischen a) liegt gut an der Schulter an, der Hüftgurt ist aber eher ein Bauchgurt, trägt also nix und b) Hüftgurt ist da, wo er sein soll, trägt das Gewicht, die Schultergurte beginnen aber irgendwo auf halber Höhe meiner Schulterblätter und der Rucksack zieht ordentlich nach hinten.

Alles Mist. Ich denke, ich werde ab jetzt immer mit meinem großen Rucksack losziehen. Auch wenn der dann fast so viel wiegt, wie sein Inhalt und fast leer ist. Aber vielleicht hat jemand einen heißen Tipp?

Auch sonst war die Wahl meiner Ausrüstung an dem Tag eher suboptimal, denn:

Ach, hätte ich mal…

…meine lange Wanderhose angezogen

Für meine Frühstückspause habe ich eine der Bänke am Marktbrunnen von Kornelimünster okkupiert. Direkt gegenüber der Propsteikirche St. Kornelius.

Ich beiße gerade in mein Butterbrot, als zwei Pilgerinnen über den Marktplatz in Richtung Kirche laufen. Die große Jakobsmuschel am Rucksack ist kaum zu übersehen. Wir plaudern ein bisschen und ich wünsche ihnen einen guten Weg und hoffe ehrlich, dass sie keine Probleme bei den Unterkünften bekommen – denn sie haben kein Zelt dabei und nirgendwo vorgebucht.

Der Eifelsteig verläuft von hier aus nahe Belgien und abgesehen von einem kleinen Schlenker nach Osten im Nationalpark im Wesentlichen nach Süden. Der Jakobsweg, offiziell bezeichnet als „Pilgerweg“, genau genommen ist es der Matthiasweg, trennt sich hier vom Eifelsteig und nimmt einen „etwas“ direkteren Verlauf (bis Trier 100km weniger) und vor allem mehr Ortschaften mit. Die beiden sind also in einer anderen Richtung unterwegs.

Für mich geht es zunächst über die Inde und weiter ins Indetal. Kaum ist man aus Kornelimünster raus, ist man mitten im Grünen. Kurz hinter dem Itertalviadukt (der Iterbach mündet kurz davor in die Inde), über das früher die Vennbahn und heute der Vennbahnradweg führt, geht es dann richtig ins Grüne, denn der Weg führt um ein Gestüt herum über einen schmalen Trampelpfad und anschließend etwa 50 unregelmäßige Stufen einen kleinen Hügel hinauf. Der Pfad ist hier links und rechts dicht mit Brennnesseln bewachsen – und ich bin in kurzen Wanderhosen unterwegs. Yaaay!

Irgendwann geht mir dann auch noch durch den Kopf, dass Zeckenzeit ist und eine lange Hose vielleicht auch deswegen sinnvoll gewesen wäre. Aber gut, ist nunmal so und später bin ich für die kurze Hose auch sehr dankbar, denn es ist ordentlich warm.

Der nächste Ort ist Hahn, einer der kleinsten Ortsteile Aachens. Dementsprechend viel bzw. wenig ist hier los. Die Inde überquert man hier erneut und gleich neben der Brücke führen ein paar Stufen runter ans Wasser. Zwar spare ich es mir, die Füße ins Wasser zu halten, denn Blasen sind mit das letzte, was ich jetzt haben möchte. Aber ein Päuschen im Schatten schadet ja nicht.

Vielleicht 200 Meter geht es wieder über die Inde – und steht kurz darauf vor einem etwas irritierenden Wegweiser. Zwei Schilder an einem uralten Baum, die Pfeile zeigen in entgegengesetzte Richtungen. Mir ist schon klar, dass der zweite Wegweiser für diejenigen ist, die den Weg rückwärts laufen. Aber welcher gilt jetzt für mich? Eigentlich sollte man ja nur den sehen, auf den man zuläuft. Aber hier läuft man mittig auf diesen Baum zu und sieht halt beide. Aber gut, dann muss halt das zweite Mal heute das Handy raus. Übrigens: Rechts lang ist richtig. Ansonsten ist der Weg aber wirklich hervorragend ausgeschildert. Es ist nur etwas irritierend, da man sich in kurzen Abschnitten an den Wegweisern des Eifelvereins orientieren muss, da es vom Eifelsteig hier keine (mehr?) gibt.

Kurz hinter Hahn beginnt die „Kalkofenroute“, ein kurzer Rundgang, der an einer Seite parallel zum Eifelsteig verläuft. Man kommt an mehreren alten Kalkbrennöfen vorbei und Hinweistafeln erzählen etwas über die Geschichte der Öfen, den Kalkabbau in der Gegend als solchen und darüber was Kalk eigentlich ist und wo er herkommt.

Gar nicht weit dahinter geht es über das „Freizeit & Erholungsgelände Wahlheim“. Ich musste kurz gucken, ob ich hier richtig bin, denn im ersten Eindruck sah es sehr nach Privatgelände aus. Aber nein, durch das Eingangstor durch ist hier schon ganz richtig.

Das Freizeitgelände besteht aus einem großen Spielplatz, Spielwiese, Beachvolleyballplatz, Minigolfplatz, Grillplatz und Biergarten. Bei schönem Wetter am Wochenende und ohne Corona ist hier bestimmt ordentlich Betrieb, aber heute waren gerade mal eine handvoll Leute dort. Der Biergarten hatte auch zu, also kein Kaffee, keine kalte Cola. Also weiter.

Immer weiter geht es durch dichten Wald, der hier netterweise auch so gut wie nicht bewirtschaftet wird. Ich finde Wald toll, mein absoluter Happy Place. Aber so ein intensiv bewirtschafteter Fichtenwald, in dem dem die Bäume Reih und Glied stehen und es sowas wie Unterholz eigentlich gar nicht gibt? Nein danke.

Auf einer Bank am Waldrand mit Blick auf eine Wiese, vielmehr ein Blumenmeer, mache ich die nächste, diesmal ausgiebige Pause. Schuhe aus, Beine hochlegen. Apfel und Müsliriegel müssen auch dran glauben. Und wie ich da so sitze ziehen doch glatt insgesamt 5 weitere Wanderer an mir vorbei. Immerhin.

…und wie ich da immer weiter sitze und zwei Vögeln zuschaue, die auf der Wiese immer wieder ein paar Meter laufen, erstarren und dann hektisch nach irgendetwas picken (s. Foto – jemand eine Ahnung, was das für ein Vogel ist?), kommt eine Dame im besten Alter vorbei und ruft mir lachend zu „Pause vorbei!“. Ich antworte mit „Och nöööö, noch 5 Minuten, büüüütte!“

Von meinem Rastplatz aus läuft man nach kurzer Zeit ins Vichtbachtal. Der Weg geht hier ziemlich off-road bergab und bei den vielen Wurzeln muss man aufpassen, wo man seine Füße hinsetzt. Es ist ein wunderschönes Eckchen Land – und hätte ich nicht eben Pause gemacht, könnte ich hier gut versacken.

Gleich hinter dem Fluss geht es für ein paar Meter knackig bergan, aber auch das ist halb so wild. Um die Ecke steht der nächste Wegweiser. Noch 6,8 Kilometer bis nach Roetgen. Zurück nach Kornelimünster sind es 8,0 km. Moment mal?! Sowohl in den Online-Infos zum Eifelsteig, als auch auf dem ersten Wegweiser in Kornelimünster ist die erste Etappe mit 14,0 km angegeben. Kurz nachgerechnet – jetzt sind es schon 14,8. Das machen die doch mit Absicht 😆

Das nächste Highlight ist das Naturschutzgebiet Struffelt, ein Ausläufer des Hohen Venn. Der Weg dorthin geht stetig und zwischendurch auch recht steil bergan. In der Mittagssonne ist es inzwischen ordentlich schweißtreibend, dort hochzustiefeln. Außerdem ist zwischendurch der eine oder andere Schlagbaum zu passieren. Baum müde, Baum muss schlafen. Oder so.

Struffelt selbst erinnert wirklich an das Venn. Moorige Wiesen, lockerer Baumbestand (meistens Birken) und teilweise läuft man auf schmalen Holzstegen. Ich mag diese Landschaft, im Vergleich zum Venn ist das hier allerdings winzig.

Kurz danach erreicht man die Dreilägerbachtalsperre bzw. die Krone der Staumauer. Den schönen Ausblick kann ich noch kurz genießen, dann geht es steil in Serpentinen wieder sehr off-road den Berg hinunter bis an den Grund der Mauer. Hier wird der Eifel*steig* das erste Mal seinem Namen gerecht. Es geht wohl über die Straße oberhalb der Mauer auch über einen Umweg bis nach unten, aber das habe ich erst später herausgefunden.

Am Westwall geht es auch entlang, die Zinken der Panzersperre liegen ein paar Meter abseits des Weges und sind komplett mit Moos überwachsen. Wenn 100 Meter vorher nicht ein Hinweisschild gestanden und ich so danach Ausschau gehalten hätte, ich wäre dran vorbei gelaufen. Aber viel sieht man ohnehin nicht, wie eigentlich überall am Westwall.

Irgendwo hier steht ein Schild „Roetgen 2,0 km“. Aber – ihr ahnt es schon – ein wenig weiter der nächste Wegweiser: „Roetgen 3,5 km“. Ernsthaft Leute, schickt hier mal einen Landvermesser durch! Aber die 1,5 Kilometer sind ja in 20 bis 30 Minuten zu schaffen und die machen den Kohl jetzt auch nicht mehr fett.

Danach folgt der Weg eigentlich nur noch den Höhenlinien und trifft irgendwann auf den Vennbahnradweg. Die ganze Trasse ist belgisches Hoheitsgebiet. Belgien hat die Grenze geschlossen. Auf der Webseite der Vennbahn prangt aktuell der Hinweis „Die touristische Nutzung der Vennbahn ist bis auf Weiteres untersagt!“. Trotzdem sind einige Fahrradfahrer auf ihr unterwegs. Ich wage den illegalen Grenzübertritt und laufe ein paar Meter auf der Bahn. Aber nicht für lange, dann wechsle ich wieder auf den Trampelpfad daneben. Nicht nur, weil der zu Deutschland gehört, sondern weil sich auf dem Untergrund schöner laufen lässt.

Das Ziel der heutigen Etappe, Roetgen, liegt jetzt quasi um die Ecke. Am Bahnhof vorbei, an dem es diverse Lokalitäten gibt, die jedoch alle geschlossen haben, geht es noch für ein paar 100 Meter entlang der B258 bis zur „Wanderstation“. Leider erfüllt sich mein Wunsch nach Koffein auch hier nicht, denn die Station hat geschlossen. Laut einem Zettel neben der Türe wegen Reparaturarbeiten. Sehr arbeitsam sieht es weder drinnen noch draußen aus.

Aber um einem kleinen Teich stehen ein paar Holzbänke im Schatten. Auf einer von denen lasse ich mich nieder, werfe sämtliches Gepäck von mir und mache die Beine lang. Auch ohne Kaffee kann ich jetzt wenigstens in aller Ruhe schauen, wie ich am besten nach Hause komme.

Ach, hätte ich doch…

…die Chance, Etappe 2 gleich morgen zu laufen

Die Strecke war landschaftlich wunderschön, sehr ruhig, und angenehm zu laufen. Nur ganz selten an der Straße entlang und überwiegend nicht auf Asphalt. Klare Empfehlung!

Nur die Länge machte es heute gegen Ende, dass ich ein wenig undönig wurde. Aber daran ist ja nicht die Etappe schuld. Was kann die dafür, dass ich unbedingt freiwillig Extrakilometer machen musste?

Ich würde wirklich sehr gerne direkt morgen weiterlaufen. Aber das geht ja aus oben beschriebenen Gründen nicht. Aber das wird schon, auch wenn ich mich jetzt gerade schön „warmgelaufen“ habe.

Da ich aber nun hier und jetzt am Ende von Etappe 1 sitze und gerne wieder nach Hause kommen würde, bewundere ich die digitale Wüste Deutschland. Nun ist Roetgen nicht gerade eine Metropole von Weltrang. Aber dennoch leben hier ja mehr als 100 Menschen auf einem Haufen. Könnte man denen vielleicht mal ein vernünftiges Mobilfunknetz spendieren? Ich habe Edge. Einen Balken. Das ist kurz vor morsen! Ins belgische Netz will sich mein Handy aber partout überhaupt nicht einwählen. Da könnte ich wahrscheinlich mit Lichtgeschwindigkeit surfen.

Aber was soll’s… Vorher hatte ich mich schon schlau gemacht, dass von Roetgen aus Busse direkt nach Aachen zum Hauptbahnhof fahren. Ich muss halt nur rausbekommen, wo und wann.

Auch wenn ich jedes Bit und Byte beim tröpfeln aus der Leitung zählen kann, bekomme ich irgendwann den Fahrplan der ASEAG aufgerufen und freue mich, dass die Busse alle 30 Minuten fahren und die Haltestelle nicht weit die Straße runter ist. Aber:

Ach, hätte ich mal…

…ein Taxi nach Hause genommen

Wie gesagt, die Busse fahren alle halbe Stunde. Eine Maske habe ich selbstverständlich auch dabei. Aber ich habe nach wie vor kein Internet. Bei einem Bus, der an der Haltestelle steht, als ich ankomme, fällt mir auf, dass der Bereich beim Fahrer abgesperrt ist. Draußen an der Türe klebt ein Aufkleber, sinngemäß: Tickets gibt es nicht beim Fahrer, nur online. Toll.

Nach Ewigkeiten öffnet sich die Webseite der ASEAG. Dort erfahre ich aber nur, dass es da keine Tickets gibt. Dafür muss man sich eine App runterladen. Was ein Glück für Menschen, die spontan Bus fahren können. Ich steige also ohne Ticket ein, bleibe erstmal mit meinem Rucksack hängen, setze mich hin und versuche weiterhin diese blöde App runterzuladen.

Nach zwei Haltestellen habe ich endlich LTE. An der Stelle bin ich typisch Deutsch, denn ich habe mich natürlich trotzdem noch registriert, um ein Ticket kaufen zu können. Die blöde Bestätigungsmail, um die Registrierung abschließen zu können, hat sich dann aber ewig Zeit gelassen. Kurz vor dem Aussteigen konnte ich mich dann endlich bei der App anmelden – und ja, ich habe noch ein Ticket gekauft.

Das aller, aller, aller ätzendste war aber der eine vermaledeite Kilometer, den ich vom Bus aus noch nach Hause laufen musste. Oh Gott, was waren meine Knochen steif. Der schönste Gedanke war „Noch um die Ecke und dann drei Häuser weiter, dann biste da!“. Dass ich noch in den zweiten Stock hoch muss, habe ich bis vor meiner Haustüre verdrängt.

Das erste, was mir durch den Kopf ging, nachdem ich die Wohnungstüre hinter mir ins Schloss geworfen hatte:
„Heute setzt Du keinen Schritt mehr vor die Türe. Bewegt wird sich nur noch zwischen Sofa, Kühlschrank, Klo und Bett.“


Auch wenn es ein langer Tag war, er war toll. Die verschiedenen „Ach, hätte ich nur…“ bitte nicht ernst nehmen. Nur die Sache mit dem Rucksack nervt mich wirklich.

7 Gedanken zu “Eifelsteig Etappe 1 – Ach, hätte ich nur…

  1. Eieiei, kurze Hosen und Brennesseln kenne ich nur zu gut vom Soonwaldsteig im letzten Jahr. Schön, dass Du mal wieder auf Tour warst. Ich habe meinen Urlaub ja storniert, nachdem ich nicht den Portugues laufen durfte und werde erst im August wieder mehr Zeit haben, Weit-Wanderwege unter die Füße zu nehmen (gern auch mit Zelt…). Bleib weiterhin gesund und viel Spaß noch auf den regionalen Wegen. LG aus dem Schwarzwald, SonjaM

  2. Immerhin geht der „Spaß“ bei Brennnesseln schnell wieder vorbei. Kindheitserinnerungen – da hätte ich es rot im Kalender markieren können, wenn ich beim Spielen/Toben draußen mal *nicht* in die Nesseln gepackt hätte oder gelatscht wäre. Nur reingesetzt habe ich mich nie 😇

    Ich hoffe ja, dass aus den regionalen Etappen des Eifelsteigs im Laufe der kommenden Wochen auch die überregionalen werden. Mal sehen.

    Dir auch viel Spaß – ob mit oder ohne roten Roller 😉
    Viele Grüße

    1. Hi Stefan,

      ich bin über Audrey hier gelandet und wollte eigentlich deinen Camino-Eintrag lesen, bin dann aber direkt beim Eifelsteig gelandet. Den wollte ich letztes Jahr im Oktober gehen. Im Mai 19 bin ich nämlich den Portugues gelaufen und hatte Blut geleckt. Leben aus dem Rucksack, nur laufen, essen, schlafen, einfach komplett reduziert aufs Wesentliche.
      Tja, was soll ich sagen…. der Eifelsteig und ich sind erst mal keine Freunde geworden. Genau 2 Etappen habe ich gemacht, also bis Monschau bin ich gekommen. Aber mir tat nach Tag 2 alles weh, besonders die Knie, die Wettervorhersage sagte die nächsten Tage Regen, Regen und Regen voraus, alles doof und mit Blick auf die 3. Etappe habe ich mich entschlossen das Projekt Eifelsteig abzubrechen. Das wird aber definitiv noch mal angegangen, so eine Niederlage lasse ich ja nur ungern auf mir sitzen 🙂 Ich bin also sehr gespannt zu hören, wie der Steig weiterverläuft
      Liebe Grüße
      Yvonne

      1. Hallo Yvonne,
        eine „normale“ Langstreckenwanderung ist schon etwas anderes, als die Jakobswege in Spanien oder Portugal. Abgesehen davon, dass man sich – wenn man will – abends immer auf eine gemütliche Runde und tolle Gespräche freuen kann: die Infrastruktur ist halt so dermaßen gut, dass das mit dem „Walk, Eat, Sleep, Repeat“ auch gut funktioniert. Ob in der Eifel oder sonstwo – mir zumindest spukt dann die Hälfte des Tages im Kopf rum, wo man denn vielleicht etwas zum Mittagessen herbekommt und wo es vielleicht frisches Wasser oder, besser, einen Kaffee geben könnte. Man ist auch immer festgelegt, da ja in der Regel vorgebucht ist, man „muss“ also. Da ist es keine Option, nach einem halben Tag aufzuhören oder wenn es gut läuft, einen Ort weiter zu gehen. Francés, Portugûes & Co. haben halt den riesengroßen Vorteil, dass man eigentlich außer an- und Abreise gar nicht große planen braucht.
        Wenn man unterwegs jemanden zum Reden hat, lässt sich Regen auch viel besser ertragen. Und wenn man gemeinsam über das Wetter meckert 😅. Aber alleine wird das ganz schnell, ganz ätzend, da gebe ich Dir recht.

        Ab 15.06. darf der geneigte Wanderer wieder seinen Fuß nach Belgien hinein setzen. Für das lange Wochenende kommt das leider zu spät, aber dann halt an dem ein oder anderen Wochenende danach. Hinter Gemünd (Etappenziel 4) wird es dann von mir zu Hause aus recht schwierig mit der spontanen Anreise. 2-3 Mal Umsteigen, d.h. 3-4 Stunden mit dem Zug, da habe ich dann nicht unbedingt jedes Wochenende Lust drauf. aber auch da findet sich was.

        2. Anlauf zu meinem Portugûes vielleicht Anfang September, wenn die Umstände es zulassen…

        Viele Grüße
        Stefan

  3. Audrey im Wanderland – Bloggerin bei Audrey im Wanderland, meinem Fernwanderblog, auf dem ich fast 2.500 erwanderte Kilometer Etappe für Etappe zum Leben erwecke. Nach dem „Prinzip Lindenstraßen“ gibt es jeden Sonntag einen neuen Tagesbericht zum Nachlesen.
    Audrey im Wanderland

    Stefan – herzlichen Danknfür die vielen Lacher und Grunzer, die mir deine „Hätte ich mal…“-s beschert haben. Es war herzallerliebst, dich auf Schritt und Tritt zu verfolgen. Aber mein absolutes Oberhighlight war klar der Kampf mit dem Internet – kennt JEDER Fernwanderer, vermutlich sogar jeder Deutsche. Und dieses Bild, wie du beim Aussteigen erfolgreiche das Ticket löst – unbezahlbar 😂😂
    Freue mich, wenn es weitergeht. Deine Beiträge sind einfach herzerfrischend

    1. Audrey, hi! Schön, dass Du für mich Deine digitale Abstinenz unterbrichst 😊

      Klar habe ich mir die Fahrkarte noch gekauft. Sonst wäre der ganze Akt ja umsonst gewesen. Prinzip! Zwar ein bescheuertes, deutsches Prinzip, aber hey! 😂

      Danke für die Blumen. Gerade dieser Beitrag hat echt Spaß gemacht, zu schreiben.

  4. aurorawillwandern – Bonn, Germany – Ich gehe gern wandern. Allein oder mit ander'n.
    aurorawillwandern

    Wie schön und amüsant und es weckt meine Erinnerung! Im Moment hab ich so viel zu tun, dass ich weder zum wandern noch zum Lesen der Blogs komme….

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