Eifelsteig Etappe 3 – Auf und nieder, immer wieder

08. August 2020 – Monschau – Einruhr (2 + ca. 17km)

Ich habe selten so schlecht geschlafen, wie diese Nacht. Klatschnass geschwitzt und von Mücken zerstochen. An meiner grundsätzlichen Meinung über die Jugendherberge Monschau-Hargard ändert das nichts, die ist top. Aber eine tropische Nacht in Kombination mit den Corona-Maßnahmen der Herberge führen zu einer heute eher miesen Grundstimmung.

Eine der Vorgaben ist nämlich, dass bei der Abreise das Fenster zum Lüften geöffnet werden soll. Grundlegend ja keine doofe Idee, aber als ich gestern Abend angekommen bin, stand das Fenster nach wie vor sperrangelweit offen. Auch das ist eigentlich nicht weiter schlimm, aber das Fenster geht nach Süden. Im Zimmer ist es also genauso heiß, wie draußen. Bei geschlossenem Fenster weile ich ungewollt in einer finnischen Sauna. Bevor ich ins Bett bin, habe ich die Zimmertüre für eine Viertelstunde sperrangelweit offen gelassen, damit es wenigstens ein wenig durchzieht, auf dem Flur ist die Luft nämlich bedeutend angenehmer. Viel geholfen hat das aber nicht.

Ich schlafe für gewöhnlich immer bei offenem Fenster, je kühler desto besser. Selbst wenn ich das nicht gewohnt wäre, war es keine Option, das Fenster zu schließen – ich habe mir also ein bisschen Frischluft damit erkauft, dass ich ein Einfallstor für so ziemlich alle Mücken diesseits der Rur geschaffen habe. Die Einladung wurde leider auch vielfach angenommen. Ich habe es in den letzten Jahren immer geschafft, so gut wie keine Insektenstiche zu bekommen. Aber diese Nacht war wohl der Ausgleich für den Mangel der letzten Jahre: 16 Mückenstiche! 😣

Die Nacht hatte auch noch eine weitere wichtige Erkenntnis für mich parat:
Ohrstopfen sorgen zwar dafür, dass aus dem „MUUUUUH“ der Kühe auf der benachbarten Weide ein leises „muh“ wird. Aber das hohe Sirren einer Mücke, die Dir ums Ohr saust, ist kein verdammtes Dezibel leiser. Vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet, aber es hat mich wirklich wahnsinnig gemacht. Mistviecher. Sollen sie meinetwegen stechen. Dass es dann juckt, da verstehe ich bis heute nicht, was sich die Natur dabei gedacht hat. Aber warum zum Kuckuck müssen die Plagen dann auch noch so ein fieses Geräusch von sich geben?

Hase und Igel

Als mein Wecker um kurz nach 7 klingelt, bin ich alles – außer ausgeschlafen. Beim Blick nach draußen fällt zuerst ein wolkenverhangener, grauer Himmel auf. Der Wetterbericht am Freitag hat Regen und Gewitter nicht vor Montag angekündigt. Der Wetterbericht gestern Abend hat das Programm dann auf den frühen Sonntagabend verschoben. Der Wetterbericht heute früh ist der Meinung, am Nachmittag könnte es regnen. Aber der Regen ist schon da. Entweder haben die Wolken also eine Abkürzung genommen, den Turbo eingelegt oder alle Meteorologen wurden wie der Hase vom Igel schlichtweg veräppelt.

Nicht angekündigten Regen hatte ich ja schon einmal und damals wie heute hatte ich kein Regenzeug dabei. Seinerzeit hat sich dann doch alles zum Guten gefügt und auch heute bin ich, was das Wetter angeht, optimistisch. Außerdem ist erstmal Frühstückszeit. Das gibt es ab 8 Uhr. Auch wenn ich schon 5 Minuten vorher parat stehe, bin ich bei weitem nicht der erste in der Schlange.

Während ich gemütlich an der Essensausgabe anstehe, Buffet fällt wegen Corona aus, schüttet es draußen ganz ordentlich. Während ich dann nicht weniger gemütlich am Tisch sitze und mein Marmeladenbrötchen verputze und mir meine Wegzehrung einpacke, kommt ein dumpfes Donnergrollen dazu. Regen, ok. Damit kann ich um, denn es ist nach wie vor warm und selbst wenn ich komplett durchnässt werde, heute Abend sitze ich wieder zu Hause. Da wäre es sogar egal, wenn der Inhalt meines Rucksacks nass würde. Aber bei Gewitter unterwegs zu sein, ist eine vollkommen andere Hausnummer. Ich bin zwar nicht im Hochgebirge und auf der heutigen Etappe auch so gut wie gar nicht auf freiem Feld unterwegs, aber auch im bewaldeten Mittelgebirge brauche ich das überhaupt nicht, ich habe einen Heidenrespekt vor Gewitter.

Während ich also da sitze und der neueste Wetterbericht für den Nachmittag auf einmal etwas von „unwetterartigen Regenfällen“ erwähnt, fällt bei mir der Entschluss: Ich kürze heute ab!

Die eigentliche Etappe startet natürlich in der Altstadt von Monschau. Da ich den Weg von der Jugendherberge runter in die Stadt heute deutlich sinnvoller planen könnte, wäre es überhaupt kein Thema, dorthin zurück zu laufen. Der Eifelsteig macht von da aus aber zuerst einen großen Schlenker nach Süden an der Perlenbachtalsperre vorbei und über den Ort Höfen, bevor es dann nordöstlich wieder zurück zur Rur geht. Folgt man dem offiziellen Weg, sind es ca. 24km bis nach Einruhr.

Die Gegend um Höfen ist sehr schön. Ich kenne die Ecke u.a. schon vom Wildnis-Trail, der in Höfen beginnt und auch über Einruhr führt, aber bis dorthin weiter südlich des Eifelsteigs verläuft. Ich werde meine Erinnerungen aber heute nicht weiter auffrischen, da ich von der Herberge aus direkt die nächste Gelegenheit flussabwärts anpeilen werde, die Rur zu queren. Die liegt ca. 2 Kilometer östlich an Mündung des Kluckbachs.

Damit kürze ich die Etappe um etwa 7 Kilometer ab und spare mir auch den Weg zurück nach Monschau. Ich sträube mich da zwar innerlich, aber das gibt mir die Chance, das Wettrennen gegen das Wetter zu gewinnen. Zwischendurch gibt es nämlich keine Möglichkeit, einfach mal so in den Bus zu steigen. …und ein Unwetter im Wald abwettern? Da kann ich mir schöneres vorstellen. Also Einruhr or bust. Außerdem kann ich so mein Versprechen von gestern einlösen und bei der Bank mit Aussicht vorbeischauen.

Anlauf nehmen

Anlauf nehmen muss ich heute in verschiedener Hinsicht. Erstens, weil ich vor dem Frühstück überhaupt nicht in die Gänge komme. Da hilft wenigstens der gut trinkbare Kaffee beim Frühstück. Zweitens, weil ich mir beim frühstücken auch wirklich, wirklich, wirklich viel Zeit lasse. Der Blick nach draußen verheißt wettertechnisch erst nichts Gutes, aber wenigstens wird der Regen irgendwann doch weniger. Ich sitze es quasi aus. Drittens muss ich zum Auschecken eine ganze Weile warten. An der Rezeption ist nämlich zunächst niemand.

Als ich dann doch endlich meine Rechnung bezahlen darf und ich meinen gesammelten Kram wieder zurechtgepackt habe, ist es kurz vor 9 Uhr. Abgesehen von möglichen Einschränkungen, was das Wetter angeht, habe ich mehr als genug Zeit, denn mein Bus nach Hause fährt erst gegen 17:30 Uhr.

Sobald ich aber die Tür nach draußen öffne, laufe ich vor eine unsichtbare Wand. Ich japse im ersten Moment nach Luft – auch wenn es zu erwarten gewesen ist, gerechnet habe ich damit trotzdem nicht: Gefühlt 238% Luftfeuchte lassen mich wünschen, Kiemen zu haben. Ich habe noch keine zwei Schritte vor die Türe gesetzt, da bricht mir der Schweiß schon in Strömen aus. Das wird ja wunderbar – meine Laune, heute ohnehin nicht auf Top-Niveau, sinkt spontan noch eine Etage tiefer.

Aber es hilft ja nichts, los geht’s. Das wird für den Rest des Tages mein Mantra. Jeweils gefolgt von wahlweise einem tiefen seufzen, leidenschaftlichem grummeln oder einem bösen Blick.

Was die Luftfeuchte angeht, habe ich die leise Hoffnung, dass es ein wenig besser wird, sobald ich wieder im Wald bin. Aber Pustekuchen – auch wenn die Sonne sich ihre Bahn durch die Wolken noch nicht freigebrannt hat, sie hat allemal die Wucht, das Wasser auf sämtlichen Oberflächen zu verdampfen, sodass ich im Wald durch einen feinen Nebel laufe. Ich glaube, auf meiner gesamten Körperoberfläche befindet sich von hier an und für die nächsten Stunden eine ca. 1mm dicke Wasserschicht. Bäh, ist das fies. Wenigstens geht es, bis ich wieder auf den Eifelsteig stoße, gemächlich bergab. Dass es in der Ferne immer Mal wieder ein bisschen donnert, lässt mich einen Zahn zulegen.

Nach etwa 20 Minuten gemütlichen dahinschwimmens, erreiche ich tatsächlich die legendäre Sitzgelegenheit. Ich will nicht unken – ich finde es wirklich toll, dass Menschen als Sponsor für derartige Wanderinfrastruktur zur Verfügung stehen. Das könnten gerne noch viel mehr Leute tun, denn wann immer ich unterwegs bin und eine Sitzgelegenheit bräuchte, ist oft genug keine da. Jetzt weiß ich nicht, wie lange die Bank dort bereits steht und ob es früher vielleicht so etwas wie eine Aussicht gab. Inzwischen jedoch steht der Bank gegenüber eine handvoll Bäume und die verhindern den Blick auf die andere Seite des Tals. Da ich aber noch frisch genug bin, halte ich mich gar nicht lange an dieser Nicht-Aussicht auf, sondern gehe zügig weiter.

Das ist auch gut so, denn gleich im Anschluss brauche ich einen ordentlichen Anlauf, um den Anstieg auf die Perdsley zu bewältigen. Die Perdsley ist eigentlich nicht viel mehr, als ein Felsen, an dessen Kante es wieder einen „Eifelblick“ gibt. Wenn ich kurz aus der Etappenbeschreibung zitieren darf, die sich auf der Homepage des Eifelsteig findet:

In stetigem Auf und Ab führt Dich der Eifelsteig nun weiter. Ein beruhigendes Rauschen begleitet Dich – Du wanderst wieder zusammen mit der Rur Richtung Etappenziel. Sie schlängelt und windet sich durch felsigen Wald und muss auch die ein oder andere Hürde nehmen. Du fühlst Dich verbunden mit dem kleinen Fluss, denn auch Du folgst immer wieder felsigen Pfaden. Deine Ausdauer wird belohnt mit einigen Ausblicken. Ein besonderer Tipp ist der Blick von der Perdsley im Herbst: Unter Dir entfaltet sich ein rotbuntes Blätterdach und strahlt Dich an!

Nun haben wir noch nicht Herbst und das rotbunte Blätterdach ist zur Zeit noch saftig grün und vor allem: dicht. Die Aussicht hält sich also auch hier in verhältnismäßig engen Grenzen. Um von der einen zur nächsten Hürde zu kommen, die nicht nur die Rur, sondern auch ich hier nehmen muss, geht es wie zu erwarten direkt hinter der Perdsley wieder bergab, bis man direkt wieder neben der Rur steht.

Ich fühle mich überhaupt nicht verbunden mit dem kleinen Fluss, absolut nicht. Ganz im Gegenteil, beneide ich das Wasser sogar, wie es gemächlich bergab fließt. Um irgendeine Art von Verbundenheit aufzubauen, sieht man von der Rur viel zu wenig, allenfalls steht man nach jedem Hügel oder Felsen, den man hoch- und wieder runterkraxeln darf, wieder am Ufer.

Neben dem Neid baut sich bei mir auch eine gute Portion Frust auf. In meinem Wanderführer – ausnahmsweise Mal kein „gelbes Buch“ – steht geschrieben:

Der Weg folgt über weite Strecken dem Rurtal.

Ja, stimmt. Tut er. Man sollte aber keinesfalls erwarten, dass es deswegen flach und gemütlich neben dem Flüsschen hergeht, zu dem man ja eine ach so enge Verbundenheit aufgebaut haben sollte… Was mich direkt zur zweiten Erkenntnis des Tages bringt:
Ein Steig ist offenbar nur dann ein Steig, wenn er für jede Tagesetappe eine bestimmte Menge Höhenmeter pro zurückgelegter Strecke überwinden muss. Sonst wäre es ja ein gewöhnlicher Wanderweg.

Brunftzeit?

Der Weg und ich werden heute keine Freunde mehr. Zwar wird die Luft irgendwann besser, weil irgendwann die Sonne herauskommt und mit aller Macht das letzte überschüssige Wasser wegbrutzelt. An sich ist der Weg auch ganz schön – gerade, wenn es dann doch runter an die Rur geht und man hier sogar schön für ein Picknick die Füße ins Wasser baumeln lassen könnte. Zumal sich ein kurzes Stück später Wiesen (sogar mit richtigem Ausblick!) und Wälder schön abwechseln.

Aber dieses rauf und runter geht mir tierisch auf den Senkel. Höhenmeter um der Höhenmeter willen, so mein Gefühl. Was mich aber noch deutlich mehr stört, sind die Hintergrundgeräusche – und damit meine ich nicht die der angenehmen Art.

Kurz hinter dem Cafe Grünental geht es noch einmal über die Rur und danach wieder hoch in den Wald, bis man die Ortschaft Hammer streift. Nicht nur, dass es hier wenig idyllisch an proppevollen Campingplätzen vorbei geht, ab hier ist für den Rest der Strecke die L106, ihreszeichens ein Paradies für Motorradfahrer, Begleiterin für den Rest des Weges bis Einruhr. Alle paar Minuten röhrt es ab jetzt manchmal laut, manchmal noch lauter. In dem engen Tal hört man die Maschinen schon eine ganze Weile vorher und gefühlt auch noch so lange, bis sie in Einruhr angekommen sind. Das ist echt enervierend und ich kann die Menschen, die an solchen Strecken wohnen und leben SO gut verstehen, wenn sie verlangen, dass irgendetwas gegen den Lärm getan werden soll. Da wünsche ich mir halbherzig doch irgendwie den Regen zurück.

Das Örtchen mit dem netten Namen Seifenauel ist dann nicht viel weiter das letzte, an dem mich der Weg vor Einruhr wieder überwiegend dran vorbei, dafür aber zur Abwechslung auch wieder nach oben führt. Der Abschnitt liegt inzwischen in der prallen Sonne. Trotzdem ist es viel angenehmer als heute früh. Das Wegstück genieße ich wirklich.

Bisher war ich den ganzen Tag allein unterwegs, sieht man von zwei Wanderern ab, die kurz vor mir zur Perdsley hochgestiefelt sind. An einer Stelle direkt hinter Seifenauel laufe ich dann doch noch auf andere Wanderer auf, denn zwei Damen im besten Alter gehen keuchend den Berg hoch. Bei einer von ihnen meine ich zwischen zwei hechelnden Atemzügen zu vernehmen „…das muss ja, sonst wäre es kein Steig“. Damit sehe ich meine Theorie als bestätigt an. Zumal die letzte Spitzkehre hier vollkommen sinnfrei ist. Wie man von oben schön sieht, käme man auf dem selben Weg heraus, würde man eine Kehre weiter unten einfach geradeaus gehen. Dann würde man entlang der Höhenlinie gehen. Aber es hilft ja nichts 😄

Bis zum „Eifelblick Wolfshöhe“ geht der Weg dann nur ganz gemächlich auf und ab, die Höhenmeter nimmt man bei Seifenauel alle schon mit. Von der Wolfshöhe aus hat man zum ersten Mal freie Sicht auf den Rursee und Einruhr. Endlich ein Eifelblick mit echter Aussicht! Ich könnte mich jetzt hier den Abhang hinunter stürzen und bis in den Ort kugeln. Gesund wäre das sicherlich nicht, aber schnell. Schnell sollte ich irgendwie sein, denn von Westen aus ziehen bedrohlich schwarze Wolken ziemlich schnell heran.

Das letzte Stück ist dann wie gestern auch schon noch einmal ein Schmankerl, um seine Konzentration zu testen. Zwar ist das im Vergleich zum Buelspatt gestern nur ein lauer Abklatsch, aber das lose Schiefergeröll rutscht trotzdem fröhlich mit mir den Berg hinunter. Zwischendurch rast jemand in Trailrunnern an mir vorbei ins Tal. Ich überlege wirklich, ob ich da Respekt für haben oder es nur bescheuert finden sollte – ein kleiner Fehltritt bei der Geschwindigkeit und der Typ segelt den Abhang runter. Aber gut, jeder wie er oder sie mag.

Der Eifelsteig spuckt mich direkt am Ufer des Rursees aus, ich muss nur zusehen, dass ich auf der Bundesstraße nicht überfahren werde, denn Einruhr liegt auf der anderen Straßenseite. Aber da hier zur Zeit eine Baustelle samt Baustellenampel ist, habe ich ganz viel Zeit, mich zwischen den vielen Sportwagen, Cabrios und Motorrädern durchzuschlängeln, die an der Ampel warten.

Gleich die erste Lokalität ist meine. Allerdingd habe ich am bestellten Weizenbier noch nichtmal genippt, da fängt es an zu stürmen und es tröpfelt los. Ich schaffe es gerade noch so, mein Zeug zusammenzupacken und mit meinem Bier an einen Tisch unter der Markise zu flüchten, als der Himmel seine Schleusen öffnet. Innerhalb von 2 Minuten steht die Straße unter Wasser und es ist bestimmt 15°C abgekühlt. Weltuntergangswetter.

Es hört auch für ganze eine Weile überhaupt nicht mehr auf. So trinke ich in Ruhe und halbwegs trocken mein Bier, bestelle und trinke auch noch ein zweites und bin heilfroh, dass mich das Wetter nicht unterwegs erwischt hat. Eine Schutzhütte hätte es auf den letzten Kilometern glaube ich nicht gegeben, zumindest habe ich keine bewusst wahrgenommen. Alles richtig gemacht.

Leerlauf und volle Fahrt

Der Regenguss dauert etwa eine halbe Stunde, danach kommt die Sonne wieder raus, als ob nichts gewesen wäre. Aber im Gegensatz zu heute morgen ist es jetzt bei weitem nicht so schwül, immerhin.

Da ich nicht die ganze Zeit im Cafe sitzen möchte und vor allem nicht ein Getränk nach dem anderen bestellen will, um anderen nicht einfach nur den Platz wegzunehmen, verziehe ich mich fürs erste auf eine Bank am Seeufer. Was mache ich denn jetzt, bis der Bus kommt? Das Wetter hat meine Zeitplanung gut durcheinander gebracht – es sind noch knapp zwei Stunden, die ich irgendwie vertrödeln muss.

Aber zwei Stunden sind ja überschaubar. Da ich sowieso verschwitzt und dreckig bin, beschließe ich, dass es mir wurscht ist, wenn die Wiese nass ist. Ich lege mich lang hin, meinen Rucksack neben mir. Die Sonne trocknet alles schnell – sowohl mich, als auch die Wiese. Vom Kiosk nebenan gibt es noch eine kalte Cola, denn mein mitgeführtes Wasser hat inzwischen Badewannentemperatur angenommen. Ich schalte in den Energiesparmodus und döse. Zwischendurch höre ich ein bisschen Musik und bin ganz allgemein ziemlich tiefenentspannt.

Der Bus, mein Bus, ist ein Fahrradbus. Ganz nett – ein paar Mal täglich fährt von Aachen aus ein Bus mit Fahrradanhänger bis an den Rursee. Die Fahrkarten für Mensch und Rad sind zumindest für Einzelpersonen günstiger, als Sprit und Parkgebühren vor Ort. Viel schneller ist man mit dem Auto auch nicht am See. Es ist wohl keine Pflicht, einen Platz für sein Rad zu reservieren, aber es bietet sich an.

Mit mir an der Haltestelle wartet eine größere Truppe, ein paar Erwachsene und eine gute handvoll Kinder. Die Kids quengeln die ganze Zeit, denn sie wären lieber mit dem Rad nach Aachen gefahren, als den blöden Bus zu nehmen. Das der Bus dann auch noch 5 Minuten zu spät kommt, fördert die Laune nicht unbedingt, wohl aber, dass sie helfen dürfen, die Räder zu verladen. Die anschließende Diskussion des Busfahrers mit einer der Damen aus der Gruppe kostet im Anschluss aber noch viel mehr Zeit, als das Verladen. Er möchte Ihr eine Gruppenkarte verkaufen, weil das günstiger sei. Sie beharrt aber darauf, einzeln zu zahlen, da sie das ansonsten nicht auseinander dividiert bekommt. Als der Fahrer sie dann fragt, wie viele Kinder unter 6 Jahren dabei wären, denn die fahren kostenlos, wirft sie das komplett aus der Bahn. Nach gut fünf Minuten Diskussion kommt noch einer aus der Gruppe nach vorne und sagt „Bianca, denkst Du bitte daran, dass wir reserviert und online bezahlt haben?“ Ich muss echt an mich halten, hier keinen gehässigen Kommentar abzugeben…

Da sind diese Momente, wo ich meine Mitmenschen gerne einfach so in den Hintern treten möchte. Sinnlose Diskussion, insgesamt dann 20 Minuten Verspätung. Auch wenn der Bus noch lange nicht an jeder Haltestelle halten muss, viel Zeit kann er bis Aachen nicht aufholen, da zwischendurch immer wieder Räder auf- und abgeladen werden müssen. Aber so oder so komme ich irgendwann wieder in Aachen an. Die restliche Strecke bis nach Hause ist dann wirklich easy peasy.

Was bleibt?

Ein schönes Wanderwochenende, trotz der Tatsache, dass für die Etappe heute mein Mindset beileibe nicht das beste war… Hätte ich vernünftige Regenkleidung dabei gehabt, hätte ich mich heute wahrscheinlich gar nicht erst unter Druck gesetzt gefühlt, wäre die Etappe ganz normal gegangen und am Ende ganz gemütlich in Einruhr angekommen. Aber so war der Tag schon ganz früh leider irgendwie daneben. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Das ist noch eine Erkenntnis, die aber nicht unbedingt neu ist:
Das Stückeln eines solchen Wanderwegs ist überhaupt nicht meins, da fehlt mit der „Flow“. Ich weiß auch noch nicht so recht, wie ich weitermachen soll. Zwar ist die Anreise nach Einruhr noch machbar, aber bei allem was dahinter kommt, wird es schon sehr aufwändig.

Ich könnte mit dem Auto zum nächsten Startpunkt fahren und dann schauen, dass ich irgendwie die ein, zwei Etappen lokal mit einem Bus oder notfalls mit dem Taxi wieder zurück fahre. Aber das ist doch Mist. Dann schon eher die fehlenden 12 Etappen an einem Stück laufen. Da muss ich natürlich erst einmal die Zeit für finden bzw. den Urlaub bekommen. Schaun mer Mal.


Übrigens:
Warum es Rur ohne „h“, aber z.B. Einruhr mit „h“ heißt, das hat historische Gründe. Zur Unterscheidung von der größeren, bei Duisburg in den Rhein mündenden Ruhr hat man hier das „h“ einfach weggelassen und sich der französisch-niederländischen Schreibweise angepasst, dort heißt sie nämlich Roer, ausgesprochen wie „Rur“. Bei den Ortsnamen war man damals wahrscheinlich nur zu faul, die Briefköpfe anzupassen, also haben die ihr „h“ behalten.

2 Gedanken zu “Eifelsteig Etappe 3 – Auf und nieder, immer wieder

  1. Lieber Stefan, da hast Du ja einigen Leidensdruck ausgehalten. Es gibt solche Tage… auch und gerade bei einer Mehrtageswanderung. Deine Bilder sprechen jedenfalls für sich: es ist doch schön gewesen, oder?

    Zeit, Organisation und Logistik… die drei Kernprobleme des Weitwanderns. Gern würde ich einen echten Thu-Hike machen (Rheinsteig, Goldsteig etc.), aber das hat einfach bisher nicht hingehauen.

    Und ein Wochenendtripp macht nur begrenzt Freude, denn populäre Wege sind dann überfrequentiert, die Fraktion des motorisierten Freizeitvergnügens (das sage ich als Motorradfahrerin…) stört die Ruhe, aber auch E-Biker und Mountainbiker auf Wanderwegen gehen mir inzwischen auf den Keks.

    Ich wünsche Dir noch einen schönen Restsommer. Vielleicht hast Du ja Zeit und Muße, im Herbst noch ein wenig länger spazieren zu gehen. LG SonjaM

    1. Hallo Sonja,
      meistens ist es ja um Tag 3 herum, dass einen ein kleines Motivationsloch einholt oder allgemein die Grundstimmung nicht wirklich Topniveau hat. Diesmal war es halt der 2. Tag, aber immerhin auf Etappe 3 😅 Aber Du hast natürlich Recht – unterm Strich war es wirklich schön. Dass es an diesem Tag nicht so recht rundlaufen wollte, merke ich aber daran, dass ich in Summe nicht viel mehr Fotos gemacht habe, als ich hier im Beitrag eingefügt habe. Normalerweise ist das nur ein Bruchteil meiner täglichen Schnappschüsse.

      Ich habe diesne Herbst noch was vor. Aber erstmal abwarten, ob das überhaupt irgendwie funktioniert.

      Viele Grüße, bleib gesund
      Stefan

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