Mullerthal Trail Route 1, Teil 2 – Luftholen

13. April 2021 – Moersdorf nach Echternach (JH) (1,5 km + ca. 19 km)

Nachdem ich wie ein Stein geschlafen habe, bin ich auch heute wieder vor meinem Wecker wach. Allerdings führt der erste Blick aus dem Fenster nicht eben zu Begeisterungsstürmen, denn es ist trüb und neblig, kurzum: einfach Bäh! Allerdings verspricht der Wetterbericht auch für heute prima Wanderwetter, also verbuche ich die nicht vorhandene Aussicht aus meinem Zimmerfenster als nicht repräsentative Momentaufnahme, mache mich landfein und gehe runter, mir mein Frühstück und wieder ein Lunchpaket organisieren.

Leider gibt es heute keinen Salat on top. Man kann halt nicht immer so viel Glück haben.

Ich spiele zuerst mit dem Gedanken, heute mit dem Fahrrad zum Busbahnhof zu fahren. Allerdings merke ich schnell, dass die Idee zumindest für heute ziemlicher Quatsch ist, denn dadurch hätte ich nur mehr Aufwand. Zwar wäre ich heute früh schnell und unkompliziert am Bus, aber ich müsste mein Rad heute Nachmittag schließlich auch wieder einsammeln – und da meine heutige Etappe ja direkt an der Jugendherberge endet, müsste ich anschließend natürlich dann doch wieder zum Busbahnhof gehen, um dann mit dem Rad zurück zu fahren. Also lasse ich mein Rad stehen und gehe die anderthalb Kilometer gemütlich zu Fuß.

Ich nutze die Zeit beim Warten auf den Bus und auch die Fahrt, um mir anzuschauen, was mich heute erwartet. Gegenüber gestern und – Spoiler – den kommenden Tagen scheint dieser Tag wohl hinsichtlich der Highlights ein wenig abzufallen. Der Wanderführer spendiert der Etappe ganze zweieinhalb Seiten, inklusive Foto und einer halben Seite darüber, wie man von Moersdorf wieder zum Trail zurück findet.

Aber ich lasse mich davon wenig beeindrucken. Zum einen kann natürlich nicht jeder Tag den vorherigen toppen, das wäre Quatsch. Zum anderen bin ich heute ganz froh, dass ich deutlich weniger Gefahr laufen werde, wieder im Dreck zu landen.

Ganz abgesehen davon, gilt es für mich ja ohnehin gleich zu Anfang einen Steilhang zu erklimmen. Das ist mir fürs erste Highlight genug.

Subjektive Wahrnehmung vs. Realität

Ich gebe gerne zu, dass mir dieser erste Anstieg gestern mit knapp 20 Kilometern in den Beinen und dem Etappenziel vor Augen wie ein schier unüberwindliches Hindernis erschienen ist. Aber heute morgen, ausgeschlafen und erholt, ist es “nur” noch ein wirklich steiler Anstieg, der mich gut ins Schwitzen bringt. Aber er ist machbar, wenn auch langsam.

Dabei gäbe es sogar eine Alternative. Ob die aber einfacher wäre, vermag ich nicht zu sagen. Länger wäre sie auf jeden Fall. Ich müsste einfach nur links abbiegen und der “M1”-Markierung weiter folgen. Allerdings würde ich dann ein laut gelbem Buch “bezauberndes Waldstück” verpassen. Also: No pain, no gain!

Das Wäldchen, dessen Ausläufer ja bereits gestern am Ende der Etappe lagen, ist wie versprochen wirklich schön, es ist nur leider nicht allzu groß. So dauert es nicht lange, bis ich aus dem Wald heraus bin.

Weiter bergauf geht es dann an über asphaltierte Wirtschaftswege bis auf die Kuppe des Hügels. So schön es auch ist, zwischendurch auch Mal an der “frischen Luft”, also nicht mitten im Wald zu stehen. Die Windkraftanalgen und ein nicht sehr fotogener Sendemast stören das Gesamtbild schon ein wenig. Trotzdem lasse ich mich auf die erstbeste Bank fallen und genieße. Die Augen zu schließen und einfach nur dem Wind zuzuhören, hat schon ein bisschen was Meditatives.

Einfach nur gehen, auch Mal schön

Es geht ein bisschen querfeldein über eine Wiese weiter, bevor es dann in Richtung Mompach und Herborn größtenteils auf asphaltierten Wegen weitergeht. Im Vergleich zu gestern ist das heute eine echte Erholung für den Gleichgewichtssinn. Da es auch nur sehr gemächlich auf und ab geht, komme ich im Vergleich zu gestern mit Siebenmeilenschritten voran.

Abgesehen von drei, vier Leuten, die mit ihren Hunden Gassi gehen, hatte ich auch heute den Trail und die Natur für mich ganz alleine. Selbst als ich mich in Herborn an der Kirche auf einer Bank niederlasse und mir mein Mittagessen zu Gemüte führe, bin ich ganz für mich alleine. Das passt mir momentan aber ganz gut. Ich sitze, kaue und genieße. Allerdings versteckt sich die Sonne immer wieder hinter dicken Wolken – und im Schatten wird es ganz schnell ziemlich zugig. Lange bleibe ich also nicht sitzen.

Kaum ist man aus Herborn (hat meines Wissens wenig bis gar nichts mit der hessischen Stadt zu tun) raus, endet die Asphaltpiste und bis zum Echternacher See läuft man nur noch auf natürlichem Untergrund.

An ein, zwei Bauernhöfen vorbei geht es anschließend in das Naturwaldreservat Hierberbësch. Das Gebiet ist in zwei Zonen unterteilt: In Zone A sind jegliche Forstarbeiten verboten. Zone B erlaubt (noch) absolut notwendige Arbeiten zur Diversifizierung und Sicherung des Baumbestands. Der Mullerthal Trail führt im Wesentlichen an der Grenze zwischen diesen beiden Zonen entlang. Da das Projekt des Reservats erst 2011 gestartet ist, ist zwischen beiden, zumindest für mein ungeschultes Auge, noch kein eklatanter Unterschied zu erkennen. Was man allerdings noch gut sehen kann ist, dass das ganze Gelände bis dahin ein wirtschaftlich genutzter Buchenwald war. Bis das hier irgendwann einmal richtig “urwüchsig” wird, braucht es wohl noch ein paar Jahre, um nicht zu sagen: Jahrzehnte.

So langsam beschleicht mich das Gefühl, dass es deutlich weniger Wanderwege in Europa hat, die kein Jakobsweg sind, als umgekehrt. Nicht nur, dass Echternach am Weg Köln-Trier liegt, von hier aus führt ebenfalls einer nach Luxemburg-Stadt. Die gelb-blauen Wegweiser und auch die ab und zu an die Bäume gepinselten gelben Pfeile sind unübersehbar. Auf meiner Runde in gehe ich den Jakobsweg also ein Stückchen Rückwärts.

Irgendwann muss es doch abwärts gehen?!

Der Rest der Strecke ist dann ohne groß Höhenmeter mitzunehmen ein bisschen unspektakulär. Das meine ich aber nicht negativ, man läuft größtenteils durch den Wald, die Sonne scheint, die Vögel zwitschern, das Leben ist schön. Es gibt aber keine “Wow!”-Momente mehr. Muss ja auch nicht und war für heute ja auch nicht zu erwarten.

Irgendwann blitzt links durch das Laub dann der Echternacher See durch. Weit habe ich es also nicht mehr. Aus einem Blick auf das Höhenprofil der heutigen Etappe weiß ich, dass es den letzten Kilometer ordentlich bergab geht. Da ich hier immer weiter den Höhenlinien folge und zwischenzeitlich das östliche Seeende (wie sieht das denn aus? See-Ende. So!) erreicht habe, muss es doch nun wirklich irgendwann auch mal nach unten gehen?

Kurze Antwort: Ja, natürlich – und nicht zu knapp. Es folgt der einzige Abschnitt heute, bei dem ich nur vorsichtig und mit Tippelschritten voran komme. Ansonsten war der Boden im Wald weitestgehend schon wieder so weit abgetrocknet, dass sich der Matschanteil in wirklich engen Grenzen hielt. Aber hier, nach Norden ausgerichtet, hält sich in der schmalen Rinne, die der Weg nach unten führt, noch an vielen Stellen das Wasser. Selbstredend rutsche ich ein paar Mal weg, kann mich aber mit Hilfe der Stöcke jedes Mal rechtzeitig fangen, bevor ich wieder im Dreck liege.

Den See erreicht man dann am westlichen Ende, etwa auf Höhe der Snackification (nein, es klingt in meinen Ohren auch mit der Zeit kein Stück besser), von da sind es nur noch gut 5 Minuten bis in die Herberge. Bis zum eigentlichen “Ende” von Route 1 wären es noch 1,5km bis in die Stadt hinein, aber die bin ich ja heute früh schon gegangen.

Ich bin heute nicht halb so kaputt, wie gestern. Dazu hat es sich auch viel zu entspannt gewandert. Trotzdem bin ich froh, dass ich mir die Schuhe ausziehen und mich unter die Dusche stellen kann. Als Belohnung für einen schönen Wandertag gönne ich mir zum Abendessen eine ordentliche Portion Currywurst mit Pommes.

So als Resümee des Tages würde ich der Etappe 2,5 von 5 Sternen geben. Angenehm zu gehen, nette Gegend, aber halt auch ohne große Highlights. Nach dem Kraftakt von gestern aber für mich heute genau richtig. Morgen geht es mit Route 2 weiter. Ich freu’ mich drauf, da wird es nämlich so richtig urig.


Hinweis:

Busverbindung nach Moersdorf via Linie 485; Echternach Gare – Moersdorf Duerf; Mo-So tagsüber alle 30min

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