Pretty in Pink: Der Heidschnuckenweg

Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah? Wie so häufig bei Redensarten ist hier auch etwas dran. Aber nicht nur im erweiterten Dunstkreis der Heimatstadt meiner Wahl ist es schön und sehr wanderbar, sondern natürlich auch in vielen anderen Ecken der Republik, die ja auch gar nicht mal allzu weit weg liegen. Es muss also nicht immer der sonnige Süden sein. Diesmal zieht es mich nämlich nach Norden. Der ist zwar nicht immer sonnig, aber schön ist es dort trotzdem. Wobei „Norden“ jetzt so klingt, als würde ich mich an den Polarkreis begeben. Ganz so weit ist es nicht, aber es sind immerhin Hamburg und Niedersachsen.

Für die kommenden elf Tage mache ich mich nämlich (größtenteils) zu Fuß auf den Weg von der Hansestadt Hamburg, genauer gesagt von HH-Fischbek, ins schöne Celle. …und weil ich zu faul bin, mir eine Strecke selbst zurecht zu basteln, nehme ich einfach eine, die nette Menschen schon für mich markiert haben. Ich wandere nämlich den Heidschnuckenweg. Flockige offizielle 223 Kilometer quer durch die Lüneburger Heide. Weshalb ich oben die Klammern gesetzt habe, erfahrt ihr später.

Vorurteile sind dazu da, widerlegt zu werden

Jetzt mag sich der/die eine oder andere fragen, was bitteschön ich denn in der Lüneburger Heide möchte?! Rentnerparadies! Plattes Land! Da gibt es doch nichts! Total uninteressant!

Jaja, Vorurteile sind etwas Feines. Solange man selbst nicht vor Ort war, kann man sie natürlich bequem vom Sofa aus bedienen und pflegen. Ich bilde da keine Ausnahme. Im Nachgang muss ich allerdings zugeben, dass im Bezug auf die Heide das eine oder andere Vorurteil durchaus stimmt. Unter anderem ist das Heidedorf Wilsede ein absoluter touristischer Overkill mit einem Altersdurchschnitt jenseits der 60. Aber der Heidschnuckenweg ist so viel mehr – und Wilsede ist nur ein winzig kleiner Teil davon, durch den man halt durch muss. Aber auch hier ist es schlichtweg schön, nur halt sehr trubelig. Es hat also durchaus seinen Grund, weshalb die Massen dorthin strömen. Ich will aber nicht zu viel verraten, nur Geduld.

Was das platte Land angeht, ist das schlicht eine Frage des Standpunkts. Für alle Menschen, die schon einmal in *hier beliebiges (Mittel-)Gebirge einsetzen* unterwegs waren, ist das sicherlich richtig. Immerhin ist der Wilseder Berg mit satten und schier unvorstellbaren 169m üNN die höchste Erhebung des gesamten Heidschnuckenwegs und auf jeden Fall nicht wirklich etwas, das ich in meinem eigenen Selbstverständnis als „Berg“ bezeichnen würde. Der gesamte Wanderweg hat auch insgesamt nur knapp 2.500 Höhenmeter aufzubieten. Definitiv nichts, vor dem man sich fürchten müsste. Etwa 400 davon nimmt man schon am ersten Tag mit, damit ist aber das „Schlimmste“ schon gepackt. Aber „platt“ ist es auf der verbleibenden Strecke deswegen noch lange nicht. Denn es geht fast die gesamte Strecke über sanfte Hügel(chen) immer wieder auf und ab.

Dass die Heide ein einziger, großer Sandkasten ist, ist noch so ein Vorurteil. So richtig widerlegen kann ich das nicht, denn …nunja… es ist nun mal sehr sandig. Zwar nicht unbedingt in der Kategorie „Strand“, aber mitunter hat es doch sehr weiches Geläuf. Das hat dazu geführt, dass ich im Vorfeld lange über die Aufteilung meiner Tagesetappen nachgedacht habe, aber auch da komme ich gleich noch drauf zurück.

Was aber vollkommener Quatsch ist, ist, dass es in der Heide langweilig wäre oder es dort „nichts“ gäbe. Der Heidschnuckenweg ist nämlich erstaunlich abwechslungsreich. Selbstverständlich geht es durch Heidelandschaft, irgendwoher muss der Weg – oder vielmehr die Schnucken – ja seinen Namen haben. Aber es geht auch durch Wälder, über Felder, durch kleine Ortschaften, durch größere Städte und wer unbedingt mag, kann einen Nachmittag sogar in einem großen Freizeitpark verbringen. Nicht umsonst ist der HSW (ich kürze ab hier mal ab, ihr wisst schon – Faulheit und so) einer der „Qualitätswege des Deutschen Wanderverbandes“. Übrigens der einzige in Norddeutschland. Zudem wurden einzelne Etappen in verschiedenen Magazinen auch schon mehrfach zum „schönsten Wanderweg Deutschlands“ gewählt bzw. sie landeten auf den vordersten Plätzen. Irgendetwas muss da ja dran sein und ich kann das nur bestätigen. Ich will hier noch gar nicht zu viel verraten, aber die Heide lohnt sich optisch auf jeden Fall, während der Heideblüte allemal!

Nur weil der Weg so heißt, bedeutet das übrigens noch lange nicht, dass man die possierlichen Heidschnucken überhaupt zu Gesicht bekommt 😉

Haarspalterei

Wenn man es genau nimmt, und soooo genau muss es dazu nicht einmal sein, wandert man auf diesem Weg natürlich nicht ausnahmslos durch die Lüneburger Heide. Im Gegenteil, ist sie nur ein Teil des Weges, wenn auch kein unerheblicher.

Los geht es nämlich in der Fischbeker Heide, ihres Zeichens die zweitgrößte Heidelandschaft Deutschlands. Hierzu gehört auch noch die Neugrabener Heide. Erst hinter den schwarzen Bergen – dem nördlichen Teil der Harburger Berge – geht es in den Naturpark Lüneburger Heide, der seinerseits grob in die Luheheide, das Uelzener und Bevenser Becken, die Ostheide, die Südheide und die Hohe Heide unterteilt ist. Diese fünf Teile bilden die mit Abstand größte Heidelandschaft nicht nur Deutschlands, sondern ganz Mitteleuropas. Wobei noch längst nicht die komplette Heide Teil des Naturparks ist. Gegen Ende, d.h. sobald man in die Nähe von Celle kommt, wandert man dann abschließend noch durch den Naturpark Südheide, der allerdings nur etwa ein Sechstel der eigentlichen Südheide umfasst.

Quelle: Wikipedia

Um das ganze ein wenig einfacher zu halten, werde ich aber nur von der „Lüneburger Heide“ sprechen. Das tut denke ich niemandem weh und ist ja auch nicht falsch. Wenn auch vielleicht ein bisschen ungenau. Aber wenn selbst Wikipedia das alles unter einem Oberbegriff zusammenfasst, darf ich das auch. So oder so, genug der Geographie.

Planung mit Hindernissen

Da mein Arbeitgeber der Meinung ist, es wäre aus betriebswirtschaftlicher Sicht irgendwie sinnvoll, den Urlaubsplan des Folgejahres bereits im November einreichen zu müssen, weiß ich also schon ziemlich lange, dass ich die ersten beiden Wochen im September frei haben werde. Damit ist zumindest der Zeitrahmen schon mal fix.

Die dann anstehende Frage ist, wo ich denn überhaupt hin verreisen bzw. wo ich lang wandern möchte. Zwei (Arbeits-)Wochen Urlaub bedeuten inklusive der Wochenenden 16 Tage frei am Stück. Ich würde gerne am Ende noch ein oder zwei Tage zu Hause auf dem Sofa die Füße hochlegen. Dazu je ein Tag für An- und Abreise heißt, dass ich maximal 12 Tage unterwegs von A nach B sein möchte. Mit dieser Prämisse befrage ich das große digitale Orakel, von manchen auch Google genannt.

Auf Grundlage dieser strikt evidenzbasierten Herangehensweise entscheide ich mich für den HSW. Nein, natürlich nicht – ich fand die Bilder von diesem Weg einfach schön. Außerdem ist Anfang September noch mit der Heideblüte zu rechnen (Faustformel 08.08. bis 09.09.), das ist doch was fürs Auge. Auf dem Papier sind es für mich realistische 9 bis 14 Etappen, daraus lässt sich doch etwas basteln!

Supi, jetzt weiß ich also Wann und Wohin. Bleibt noch das Wie. Zuerst das tägliche Wie, also: Wie weit soll es – bzw. soll ich – gehen? Dann als Folge noch ein Wo, nämlich: Wo komme ich für die Nächte unter? Zum Schluss dann noch ein zweites Wie, schließlich muss ich ja auch irgendwie zum Start hinkommen und am Ende wieder den Weg nach Hause finden.

Nicht, das sich nachts aus dem Schlaf hochgeschreckt wäre, aber ein bisschen ging mir schon die Pumpe, denn:
Heide plus Heideblüte gleich Hochsaison!
Das fällt mir prompt ein, gerade als ich die Planung unter dem Reiter „da kümmere ich mich dann in ein paar Wochen drum“ beiseite gelegt habe. Wilder Aktionismus ist nicht so meins, aber ich nehme mir dann doch fest vor, spätestens am nächsten Wochenende in die Etappenplanung und damit auch die Planung der Unterkünfte einzusteigen.

Ich orientiere mich eher am unteren Ende der Etappenanzahl, denn um die 20 Kilometer klingt bei dem recht anspruchslosen Profil des HSW nicht verkehrt und es gibt damit immer noch genug Luft, um auch nebenbei ein bisschen links und rechts zu schauen. Am Ende klügele ich einen Plan über 11 Etappen aus, an deren Ende ich mich dann nach Unterkünften umschauen möchte. Allerdings stellt sich das als gar nicht so einfach heraus, wenn ich die Möglichkeiten auf „nicht allzu teuer“ und „direkt am Weg gelegen“ eingrenze. Von günstig kann ich mich ohnehin gleich verabschieden, denn unter 65€ die Nacht ist es quasi unmöglich, etwas zu finden, zumindest während der Heideblüte. Diese Wanderung geht also im Vergleich zu anderen meiner Touren schon auch ein bisschen ins Geld… Direkt am Weg liegen auch erstaunlich wenige Unterkünfte, zumindest wenn sie zu meiner Etappenplanung passen sollen. Ich erweitere meinen Suchradius also auf „maximal 1 Kilometer vom Weg entfernt“. Damit kann ich dann arbeiten.

So richtig mag das aber trotzdem nicht fluppen. Ich muss an einer Stelle auf den kostenlosen Heide-Shuttle-Bus zurückgreifen, da in und um Handeloh, meinem Ziel der zweiten Etappe, absolut nichts bzw. nichts mehr zu bekommen ist. Außer, ich wäre bereit, satt über 100€ für eine Übernachtung auszugeben. Alternativ könnte ich meine zweite und dritte Etappe zusammenfassen, allerdings würde ich damit meine Wohlfühlgrenze von 30 Wanderkilometern am Tag deutlich sprengen. Also bleibe ich gleich zwei Nächte in Undeloh, das eigentlich erst für Tag drei eingeplant war. In Handeloh angekommen, steige ich dann nachmittags in das Heideshuttle nach Undeloh und beziehe dort Quartier. Am nächsten Tag kann ich mit leichtem Gepäck morgens den Bus zurück nach Handeloh nehmen und dann gemütlich weiterziehen.

An Tag neun muss ich ebenfalls ein wenig improvisieren, nachdem mir die Unterkunft in der Oberroher Heide recht kurzfristig abgesagt hat. Mein Glück ist, dass das Ziel der vorherigen Tagestour in Müden quasi um die Ecke ist, denn der HSW macht hier eine große Schleife über Faßberg und durch die Oberoher Heide. Ich plane diese Schleife also quasi als Rundweg Müden-Müden und starte dann den Tag drauf über die hoch offizielle Abkürzung bzw. Wegalternative von Müden über Hermannsburg weiter Richtung Süden.

Viel zu spät, nämlich dann, als ich schon unterwegs war, bin ich drauf gekommen, dass ich ja auch gut nach Jugendherbergen hätte schauen können. Davon liegen nämlich zwei am HSW, nämlich in Bispingen und Müden. Da hätten sich wahrscheinlich noch ein paar Euros sparen lassen. Aber sei’s drum.

Das Gesamtkunstwerk meiner Etappenplanung stand kurz vor dem Abschluss noch komplett vor dem Scheitern. Grundsätzlich hat es mit den Unterkünften, in den meisten Fällen übrigens Hotels, ganz gut funktioniert. Aber auch nur, weil ich samstags in Hamburg-Fischbek losgehe. Eigentlich wollte ich sonntags starten, aber das hätte bedeutet, an knapp der Hälfte meiner Stationen entweder gar nicht oder nur absolut überteuert unterzukommen. Aber Samstag passt doch, oder? Ich habe es in meiner glorreichen Weitsicht aber verpeilt, dass ich ja vorher auch irgendwie nach Hamburg kommen muss. Das sogar recht zeitig, würde ich am selben Tag noch losgehen und abends vor Einbruch der Dunkelheit in Buchholz ankommen wollen. Toll gemacht, Stefan, 1 Plus mit Sternchen. Zum Glück habe ich mir den Freitag vorher auch noch frei nehmen können, so kann ich endlich ein paar meiner Überstunden abbauen. Ein Bett im Hostel gleich am HBf in Hamburg ist dann auch noch schnell gebucht.

So alles in allem habe ich auf dieser Wanderung nur an vier Tagen mehr als 20 Kilometer vor der Brust. Sicherlich hätte ich die Aufteilung zwischendurch anders machen können, aber die 11 Wandertage stellen für mich einen guten Kompromiss aus Streckenlänge und einem gemütlichen Wanderurlaub dar. Dazu kommt, dass ein Tenor verschiedener Blogs/Vlogs (man macht sich ja schlau…) für einigen Etappen lautet, dass es – ich formuliere mal diplomatisch – über anfangs nette, irgendwann aber sehr anstrengende „Heidesandwege“ geht. Da relativieren sich dann die abzureißenden Kilometer ein wenig, wenn es auch ohne wirkliche Berge anstrengend zu laufen ist.

Theoretisch wären sandige Wege nicht wirklich ein Problem gewesen. In der Praxis sah das nach meinem Sportunfall Anfang Juli dann aber ein wenig anders aus. Mit einer gerissenen Achillessehne geht und wandert es sich eher schlecht. Lange war es fraglich, ob ich überhaupt wieder rechtzeitig in der Lage sein würde, Anfang September zu wandern oder ob ich den ganzen Trip lieber absagen sollte. Letztlich bin ich zum Glück rechtzeitig wieder so fit, dass ich zumindest mäßig lange Strecken wieder gehen kann. Daher auch die oben erwähnte Einschränkung, was das „zu Fuß“ angeht. Zweieinhalb Monate ärztlich verordnetes Couch-Potatoe-Dasein lässt die Muskeln ordentlich abbauen. Ganz grundsätzlich sollte ich natürlich auch tunlichst vermeiden, den Fuß über alle Maßen anzustrengen. Daher habe ich bei einer Gelegenheit doch auf einen fahrbaren Untersatz zurückgegriffen und habe ebenso bei der einen oder anderen ausladenden Schleife des HSW meiner Gesundheit zuliebe ein wenig abgekürzt. Zumindest, wenn die entsprechende Schleife nicht irgendeinen Mehrwert gebracht hat. Die Runde durch die Oberoher Heide ist leider auch einem dringend benötigten Ruhetag zum Opfer gefallen, so dass ich in Summe „nur“ etwa 190km wirklich zu Fuß unterwegs war. Aber hey! Wenigstens konnte ich überhaupt raus an die Luft! Da bin ich quasi ein bisschen stolz auf mich bzw. mein Heilfleisch. Sicher wäre es sinnvoll gewesen, meine Unterkünfte entsprechend umzuplanen und allgemein auf kürzere und damit mehr Tage zu setzen. Nur wie schon erwähnt: Hauptsaison, keine Chance. Also habe ich das Beste draus gemacht. Das einigermaßen anspruchslose Profil des HSW hat dabei natürlich auch eine große Rolle gespielt.

Nachdem jedenfalls das ob meiner Verpeiltheit selbst verursachte Chaos mit der Anreise beseitigt war, kann ich mich dann auch um selbige kümmern. Durch den kompletten, wenn auch eher unfreiwilligen Extratag bin ich da sogar ganz entspannt. Das muss ich auch ein bisschen sein, denn eine vernünftige Verbindung mit der Bahn ist gar nicht so selbstverständlich. Dass ich in Köln umsteigen muss, ist ohnehin sicher. Dazu ist Aachen zu schlecht an das ICE-Netz angebunden, als dass es eine Direktverbindung nach Hamburg gäbe. Aber wenigstens finde ich eine Verbindung, bei der ich dann nicht zusätzlich noch in Hannover umsteigen muss. Hier zahlt sich die frühzeitige Planung aus, denn hin und zurück kostet mich der Spaß insgesamt keine 50€, wenigstens da kann ich ein wenig sparen. Die Fahrzeit bleibt mit ca. 5 Stunden inklusive Umsteigen bis Hamburg bzw. auf dem Rückweg gut 4,5 Stunden ab Celle auch prima im Rahmen.

Aber auch hier: Pustekuchen! Denn natürlich streikt an meinem Anreisetag die GDL. Dass mein gebuchter Zug ausfällt, habe ich schon zwei Tage vorher mitbekommen. Aber mit dem FlixTrain gibt es eine halbwegs passable Alternative, wenn auch ganz bestimmt nicht zum Super-Sparpreis… Eigentlich. Fünf Minuten vor der Abfahrt in Köln poppt nämlich auf der Anzeigetafel die Mitteilung auf: „Verspätung 180-190 Minuten“! Haben die spontan bemerkt, dass ihnen der Zug abhanden gekommen ist?!? Aufgrund der Verspätung kann ich das Ticket wenigstens kostenfrei stornieren und zu meinem großen Glück doch noch auf die Deutsche Bahn zurückgreifen. Denn etwa 20 Minuten später fährt ein Intercity nach Hamburg ab. Gut, der besteht aus den wahrscheinlich ältesten Waggons, die die Bahn noch irgendwo zusammengesucht hat, die Hälfte der Klos funktioniert nicht, die Klimaanlage sowieso nicht, er ist brechend voll und hält quasi überall. So bekomme ich zwar eine Tour über die schönsten Bahnhöfe des Ruhrgebietes und bin auch erst zwei Stunden später in Hamburg, als ursprünglich geplant, aber ich komme immerhin an!

Ich komme sogar noch so rechtzeitig, um mich mit Audrey von Audrey im Wanderland doch noch wie seit langem verabredet auf ein Bier treffen zu können. So haben wir – wenn auch kurz – zumindest endlich mal die Gelegenheit, uns persönlich kennenzulernen.

Als Alternative hatte ich anfangs kurz darüber nachgedacht, mit dem Auto bis Celle zu fahren, den Wagen dort stehen zu lassen – es gibt dort zwei kostenlose Langzeitparkplätze – und mit dem Zug dann weiter nach Hamburg zu fahren. Ich würde also Flexibilität gegen das Risiko, dass etwas mit dem Auto ist, tauschen. Das ist zwar unwahrscheinlich, denn meine inzwischen 11 Jahre alte Karre mit Unfallschaden ist sicherlich kein Objekt der Begierde für irgendwelche Autoschieberbanden, aber die Zugverbindungen ab Celle sind halt nicht so pralle. Gegen eine gemütliche Zugfahrt spricht ja rein gar nichts, also setze ich mich schon in Aachen gemütlich in den Zug. Wenn ich in Celle dann zu Fuß ankomme, geht es für mich auch erst am darauffolgenden Tag wieder nach Hause, ich muss mich also nicht abhetzen, um meinen Zug zu erwischen und kann mir nachmittags auch noch die Stadt angucken, ich war nämlich noch nie da. Abgesehen davon, dass ich mit meinem Fuß zwar wieder halbwegs gehen kann, Autofahren ist aber noch nicht wieder drin. Spätestens damit wäre diese Möglichkeit also ohnehin weggefallen. Übrigens fand jemand bei mir zu Hause in der Tiefgarage mein Auto immerhin so spannend, dass er mir die Fahrerscheibe eingeschlagen hat. …und mein Fahrrad auch gleich geklaut hat… 😳

Hunger! Durst! Pippi! Sind wir schon da?

Der HSW führt nun wirklich nicht durch die einsamste Gegend Mitteleuropas. Das bedeutet, dass es zwischendurch auch über gepflasterte Straßen geht, durch größere und kleinere Orte, die Autobahn gequert werden muss oder es vom benachbarten Truppenübungsplatz (es sind sogar drei Stück…) her auch gerne mal knallen kann. Welcher Langstrecken-Wanderweg in Europa hat das nicht? Das bedeutet im Umkehrschluss aber leider nicht, dass es Gelegenheiten zur Einkehr gibt. Wie meiner Erfahrung nach alle Wanderwege in Deutschland, ist auch der HSW bemüht, Wanderer möglichst durch die Natur und damit an Orten vorbei zu führen. Sowas wie einen Kiosk, einen Food-Truck oder auch nur einen Getränke-Automaten sucht man auch vergeblich. Um irgendwo abseits der Etappenorte einzukehren, muss man also fast zwangsläufig vom Weg abweichen und Umwege in Kauf nehmen. Auf einen Kaffee muss man also unterwegs größtenteils verzichten. Eine Thermoskanne mitzuschleppen wäre ggf. eine Überlegung wert.

Der Mangel an Einkehrmöglichkeiten geht natürlich mit einem Mangel an Toiletten einher. Den Rest könnt Ihr Euch denken…

Was das „Sind wir schon da?“ angeht, da ist relativ leicht der Überblick zu behalten. An allen größeren Kreuzungen stehen Wegweiser mit Kilometerangaben. Auch wenn diese manchmal zu hinterfragen sind – das altbekannte „Wie jetzt?! Das waren doch nie und nimmer nur 500 Meter seit dem letzten Schild!“ Ansonsten ist der HSW gewohnt gut mit einem weißen „H“ auf schwarzem Grund markiert bzw. einem gelben „H“ auf schwarzem Grund für die Zuwege und Wegvarianten. Es ist also wie bei allen Premium-Wanderwegen schwierig, verloren zu gehen bzw. den Weg zu verlieren. Außerdem gibt es natürlich für alle, die ihrem Orientierungssinn nicht trauen, auch GPS-Daten fürs Handy.

In meinen Unterkünften gab es ausnahmslos Frühstück. Es war auch nie ein Problem, sich ein Brötchen für unterwegs einzupacken. Gut, ich habe zwar nie direkt gefragt, aber offenbar hat sich auch niemand daran gestört. Abendessen gab es entweder direkt in angegliederten Restaurants oder in Lokalitäten gleich um die Ecke. Alles sehr gut und mehr als ausreichend, wenn auch nicht unbedingt günstig. Einzig in Dehningshof war Flexibilität gefragt, denn dort gibt es nach einem Wechsel der Besitzer zur Zeit keinen Restaurantbetrieb. Aber die Alte Fuhrmannsschänke organisiert abends gerne eine „Vesper“, ich musste nur vorher kurz anrufen und meine Wünsche kundtun – was ich da bekommen habe, hätte auch für zwei gereicht.

Fußkranke, -müde oder -faule können zwischen Buchholz und Soltau auf das schon erwähnte Heide-Shuttle zurückgreifen. In und um Wilsede und auch später ab Müden kann man sich auch mit Pferdegespannen kutschieren lassen, allerdings weiß ich nicht, ob man die Fahrten ggf. vorab buchen muss. Es gibt also mehr als genug Möglichkeiten, sein Ziel zu erreichen.

Jäger und Sammler

Für Freunde der gepflegten Stempelkultur gibt es auf dem HSW auch etwas zu holen. Wer mag, kann sich nämlich einen Wanderpass besorgen und auf jeder Etappe an festgelegten Stempelstellen einen Stempel (Loriot: „Ach? Ach was?“) abholen.

Mehr als einen pro Etappe braucht es auch nicht, denn was „zählt“, ist die Anzahl der Etappen. Denn am Ende bekommt man dafür etwas, nämlich den „Heidschnuckenweg-Pin“:

Den gibt es in drei Ausführungen, nämlich Bronze, Silber und Gold. Welchen man bekommt, hängt davon ab, wie viele Etappen man auf dem HSW gewandert ist. Bronze gibt es bei mindestens 6 Stempeln bzw. Etappen, Silber gibt es ab 10 und den goldenen Pin ab 14. Die 14 entsprechen dann dem gesamten HSW von Fischbek bis Celle. Das bedeutet für mich, denn natürlich will ich das Teil haben, dass ich bei meiner Etappenplanung zwischendurch auch mal zwei Stempel am Tag einheimsen muss. Nach der ursprünglichen Planung wäre das gar kein Problem gewesen, als Freund Hinkebein habe ich mich damit ein kleines bisschen schwer getan…

Die Stempel an sich sind nichts Besonderes. Ohne Ausnahmen zeigen sie nämlich einfach das Logo des HSW ab. Also nur für die Stempel an sich lohnt der Aufwand nicht.

Auf geht’s!

Nach dem ganzen einleitenden Gesülze bleibt mir im Grunde nur noch, Euch in den kommenden Wochen viel Spaß beim Lesen zu wünschen. Wie gewohnt, nehme ich Euch nach und nach auf die einzelnen Etappen mit. Dann geht es wie immer um Details zum Weg, die Menschen, das Wetter, meine persönlichen Befindlichkeiten und, und und…

Bevor wir aber gemeinsam auf dem HSW starten, folgt noch eine Liste (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) mit diversen Wortspielen, die sich bei diesem Weg nun wirklich anbieten, auf die ich aber zum Wohle aller Beteiligten verzichten werde:

  • Schnick, Schnack, Schnuck
  • Schnucki / Schnuckel / Schnuckiputz
  • Heidenei!
  • Heidi
  • schnuckelig
  • Heidewitzka!
  • Heidenspaß
  • Heidrun

…so viel ungenutztes Flachwitz-Potential… 🤪

8 Gedanken zu “Pretty in Pink: Der Heidschnuckenweg

  1. Herbert Bopp – Deutscher Journalist bloggt aus Kanada. Lebt in Montréal, auf Mallorca und im Internet. Mag Kommentare am liebsten per Mail: bloghausmail@herbertbopp.com
    Herbert Bopp

    Da bin ich jetzt echt gespannt. Was du schreibst, klingt ueberschau- und machbar. Nur die mangelnden Einkehrmoeglichkeiten unterwegs machen mich schon beim Lesen nachdenklich. Das war letztenendes genau das, was uns auf der Via de la Plata ausgebremst hat. Trotzdem: Ich freue mich auf mehr Text und Fotos!

    1. MIt der Silberstraße ist das sicherlich kein ganz fairer Vergleich, da sind die Distanzen ja (nach dem, was ich so mitbekommen habe) deutlich größer. Sofern man sich auf dem HSW morgens ein Brötchen und ein bisschen Obst einpackt und auch genug Wasser mitschleppt, ist das im Grunde kein wirkliches Problem. Aber für die Quality of Life wäre ein schöner Sitzplatz unter einem Sonnenschirm und eine Bedienung, die einem Kaffee und vielleicht auch Kuchen bringt, schon irgendwie toll 😉
      Möglichkeiten, sich mit seiner Wegzehrung irgendwo in der Natur niederzulassen, gibt es zu Hauf. Einfache Holzbänke gibe es relativ häufig (gut, wenn man unbedingt eine braucht, schlägt natürlich Murphy zu und es gibt erst einmal keine…) und auch einen netten Picknicktisch gibt es ab und an dazu. Falle es regnet oder auch zum Schutz vor der Sonne kann man sich bei verschiedenen Schutzhäuschen (meist nur 3 Wände, Dach und eine Holzbank) unterstellen. Aber im Vergleich zum Camino Francés mit einer Bar oder Herberge alle 5 Kilometer ist das alles doch sehr spartanisch.

  2. Katja – Frankfurt am Main – Verlagskauffrau, Wanderin, Pilgerin, Vagabundin, Yogalehrerin
    Katja

    Sehr schön. 👍🏼 Macht Lust auf mehr lesen. Freue mich schon auf Deine Berichte, Stefan.

    1. Da muss ich mich ja ranhalten 😅 Ich habe bisher noch nicht mal meine Fotos aussortiert bzw. bearbeitet. Mal schauen, wie sehr mich die Arbeit die Woche über einspannt, vielleicht bekomme ich den Beitrag zu Etappe 1 ja bis zum kommenden Wochenende fertig…

  3. Lieber Stefan, ich war genau vor einem Jahr auch auf dem HSW unterwegs (und zwar mit einer rüstigen Rentnerin… von mir meist Mom genannt), und sie hat diesen Weg abschnittweise mit neuer Hüfte absolviert. Will sagen, es war auch mit kleineren Blessuren machbar. Dass die Heide in voller Blüte stand, hat natürlich noch extra motivierend gewirkt. Ich bin immer wieder auf’s neue begeistert von Deinem humorvollen Schreibstil und freue mich schon auf Dein Wandertagebuch. LG von der Bergstraße, SonjaM

    1. Danke für die Blumen 🙂

      Also eine neue Hüfte ist nun auch nicht unbedingt eine „kleinere Blessur“, finde ich. Respekt für die Leistung Deiner Mama! Aber ja, der HSW stellt körperlich keine besonders hohen Anforderungen. Von daher war es für mich die absolut passende Wahl.

  4. Großartig, ich hoffe, du hattest schöne Erlebnisse und die Heide blühte wenigstens noch ein bisschen. Mit den Stempeln hast du im Grunde recht, aber nur fast. Denn ganz zum Schluss in Celle, wo man sich bei der Touri-Info auch den goldenen Pin holen kann, haben sie noch mindestens zwei ganz tolle Stempel: eine Jacobmuschel und ein Stadtlogo, wenn ich mich recht erinnere. Und die lohnen sich beide wirklich, denn sie sind sehr schmuck. 🙂

    1. Der Heidschnuckenweg war toll! Naja, bis auf einige kleine Ausnahmen, aber das ist ja fast normal, wenn man ein paar Tage am Stück unterwegs ist. Geblüht hat noch mehr als genug – ich habe ja schon zumindest die Tage 2 und 3 verbloggt, da sind schon einige sehr pinke Bilder mit dabei. Sieht ab und an aus, wie in der Toscana.

      In Celle habe ich nur den ganz gewöhnlichen Stempel des HSW bekommen – und den Pin. Aber klar, Celle ist ja Station des Jakobsweges, da habe ich überhaupt nicht dran gedacht… Beim nächsten Mal dann halt.

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