Camino Inglés y a Muxía – In English, please!

Was war, was wird. Oder: Fazit

Eigentlich ist „eigentlich“ ja ein saublödes Wort. Entweder etwas ist oder etwas ist nicht. Was bedeutet in dem Zusammenhang das Wort „eigentlich“? Eigentlich benutze ich „eigentlich“ auch viel zu oft, ist ein prima Füllwort ohne echten Mehrwert. Aber um Mal ins Thema einzusteigen: Eigentlich ist der Camino Inglés viel zu kurz. Uneigentlich auch. Aber er macht Spaß. Eigentlich. Wenn das Wetter mitspielt. Aber ich springe schon wieder von links nach quer. Fangen wir doch ganz einfach vorne an:

Hin und weg

Kurz gesagt, die Anreise ist problemlos. Mit der Bahn ganz sicher, ist nur eine Zeitfrage. Schneller geht es mit dem Flugzeug. Mindestens ebenso einfach, denn von fast allen Flughäfen in Deutschland, Österreich oder der Schweiz sollten sich regelmäßige Flüge nach Madrid finden und von da bringt einen Iberia innerhalb Spaniens ohnehin überall hin. Vereinzelt finden sich von Deutschland aus auch Direktflüge nach bzw. auch von Santiago, eher selten nach A Coruña.

Ich hatte mich für die Variante nach A Coruña entschieden, weil es von da nur ein Katzensprung nach Ferrol ist. So weit so gut, aber was die Busverbindungen angeht, ist es fast sinnvoller, über Santiago anzureisen. Die Transferbusse vom Flughafen in die Stadt fahren deutlich öfter und nach Ferrol ist es dann auch eher ein Schnell- als ein Bummelbus. Da ich aber mehr als genug Zeit hatte, war das nicht wirklich ein Problem, schließlich entschleunigt das schon gleich zu Beginn. Wer zeitlich ein bisschen knapper geplant hat, sollte sich überlegen, über Santiago anzureisen.

Grundsätzlich sind sowohl Santiago, als auch A Coruña von allen pilgertypischen Destinationen in Galicien aus gut mit dem Bus zu erreichen, im Zweifelsfall muss man maximal ein Mal umsteigen. Ich habe das schon Mal irgendwo erwähnt, aber das Netz der Busverbindungen in Galicien funktioniert wirklich gut. Was die Ticketpreise angeht, ist das ohnehin fast unschlagbar.

Zurück nach Hause ging es für mich auch wieder von A Coruña aus. Auch das war trotz Bummelbus total entspannt, da ich ja noch Zeit in der Stadt inklusive Übernachtung mit eingeplant hatte. Für den Flughafentransfer finden sich im Innenstadtbereich einige Haltestellen, da muss man noch nicht Mal weit laufen.

Dieser Weg wird kein leichter…

…dieser Weg wird steinig und schwer. Nein, natürlich nicht. Aber einfach ist der Camino Inglés trotzdem nur bedingt, trotz seiner Kürze. Bei meiner Etappenaufteilung, d.h. rund 120 Kilometer Strecke inklusive der Varianten über fünf Tage gab es am Tag durchschnittlich über 570 Höhenmeter nach oben und gut 520 Meter nach unten zu überwinden, insgesamt ca. 2.800m/-2.600m. Wobei die beiden Tage mit den wenigsten Höhenmetern erst zum Schluss kommen. Eine Schwierigkeit besteht also darin, dass es gleich am ersten Tag losgeht mit den Hügeln. Wenn man fair bleibt muss man schon sagen, dass die ersten zehn, zwölf Kilometer bretteben sind. Was das Höhenprofil angeht, ist der Inglés vielleicht ganz gut mit dem Mosel-Camino vergleichbar.

Eine weitere Schwierigkeit ist die Dichte der Infrastruktur. Absolut ausreichend, keine Frage. Auch die Dichte an Herbergen würde es ermöglichen, die Etappen zumindest einigermaßen zu verkürzen und den Inglés so in sechs, sieben oder sogar acht Etappen aufzuteilen. Allerdings kann die Frequenz, in der es Möglichkeiten zur Einkehr gibt, da nicht ganz mithalten. Es gibt schon einige Abschnitte, auf denen man über mehrere Stunden keine Verpflegung angeboten bekommt. Das war bzw. ist für mich nicht weiter schlimm, aber für den einen oder anderen vielleicht schon, deswegen sei es hier erwähnt.

Für mich persönlich hätte es ruhig zwischendurch ein bisschen weniger Asphalt sein dürfen. Wobei das gerade an den Regentagen anfangs schon auch ein Vorteil war, denn so musste ich mich nicht mit Pfützen oder Schlamm herumschlagen. Aber ganz grundsätzlich ist der Inglés schon sehr asphaltlastig. Die Abschnitte durch schönen, urigen Wald sind in ihrer Anzahl auch überschaubar, meistens geht es durch eine Agrarlandschaft. Rein optisch kann dieser Jakobsweg aus meiner Sicht eher nicht mit den galicischen Abschnitten des Francés und des Português mithalten, womit ich keinesfalls sagen möchte, dass er jetzt hässlich sei. Halt nur nicht ganz so schön.

Würde ich ihn also empfehlen? Klar! Stiefel schnüren und haut rein! Würde ich ihn selbst noch einmal pilgern wollen? Da bin ich mir nicht sicher. Er ist mir fast zu kurz, um für mich persönlich in den Pilger-Flow zu kommen – bzw. ich bin gerade richtig drin, da bin ich auch schon in Santiago. Aber das hat mich nicht gestört, da mir das vorher schon fast klar war, dass es so kommen wird. Daher habe ich ja auch noch den Weg nach Muxía hintendran gehangen. Aber für Einsteiger, Kurzentschlossene oder Menschen mit wenig Zeit? Warum nicht. Allerdings bin ich fast geneigt, eher den Português ab Ponte de Lima zu empfehlen. Oder das letzte Teilstück des Francés ab O Cebreiro – Galicien at its best, aber dafür sehr, sehr hügelig. Beides kommt dann gaaaanz ungefähr auf etwa 140km.

Der Weg von Fisterra nach Muxía hingegen war ganz gewiss nicht leicht. Ich habe ihn mir allerdings auch nicht unbedingt dadurch leichter gemacht, dass ich in einem Rutsch gepilgert bin. Über 31 Kilometer und jeweils knapp 900 Meter rauf und wieder runter bei 32°C im Schatten ohne Schatten – das war schlicht und einfach nicht sehr schlau. Ansonsten ist der Weg auch durch die von mir eingeschlagenen Alternativen optisch weitestgehend ein Träumchen. Auf zwei Tage aufgeteilt, d.h. mit Stopp in Lires bietet sich da auch ein tiefenentspannter Ausflug zum Strand an. Ob man dabei direkt in Lires seine Plauze in die Sonne pflanzt oder schon vorher die verschiedenen Gelegenheiten dafür nutzt, bleibt jedem selbst überlassen, da hat man Raum für Spontanität.

Ob man Lires jetzt nur für eine kurze Mittagspause beehrt oder dort übernachtet, ändert nichts an der Tatsache, dass es vorher gar nichts gibt und hinterher außer einem Getränkeautomaten ebenfalls nichts. Man ist also gut beraten, sich ausreichend Flüssigkeit und vielleicht einen Snack für unterwegs einzupacken.

Los Camiñeros

Vollkommen unabhängig von der Landschaft, der Beschaffenheit des Straßenbelags oder dem Wetter ist das alles natürlich absolut abhängig von den Menschen, die man auf seinem Weg trifft. Da konnte ich mich in der Vergangenheit nicht beschweren und kann es für diesen Weg einmal mehr auch nicht. Vielleicht habe ich einfach nur Glück, vielleicht liegt es daran, dass der liebe Gott mich damit gesegnet hat, offen auf Menschen zugehen zu können. Aber bisher hat das Schicksal es in dieser Beziehung mit mir gut gemeint. Ich bin meine bisherigen Pilgerwege unter vollkommen unterschiedlichen Rahmenbedingungen gegangen – den Francés im Spätherbst, den Português unter Coronabedingungen, den Inglés jetzt zur Abwechslung ganz „normal“ – von daher sind Vergleiche schwierig. Der Mosel-Camino und das Stückchen Via Mosana, also die von mir bisher erkundeten Wege außerhalb der iberischen Halbinsel, fallen ohnehin raus, da es auf diesen Wegen irgendwie eine andere Art Pilgern ist, will sagen da rechnet man fast gar nicht mit anderen Pilgern. Aber die Menge an eben jenen anderen Pilgern, die man auf dem Inglés trifft, ist wohl gegenüber den anderen iberischen Wegen verhältnismäßig überschaubar. Trotzdem muss aber niemand befürchten, zu vereinsamen. Dank Radio Camino wäre das auf meinem Weg auch sehr, sehr schwierig geworden.

In der direkten Verbindung zwischen Santiago und Fisterra bzw. Muxía ist auch durchaus etwas los, das ist nicht viel anders, als auf einem „normalen“ Jakobsweg. Die Pilger, die mir auf dem Weg von einem 0,0km-Stein zum anderen begegnet sind, kann ich hingegen an einer Hand abzählen. Das war eher Pilgern für mich. Ich mag solche Tage, um mich zwischendurch auch Mal nur mit mir selbst zu beschäftigen. Aber nur weil ich das gut fand, muss das ja nicht anderen auch so gehen. Vielleicht ist es in der Pilger-Hauptsaison von Juni bis Ende August voller, das kann ich nicht beurteilen, aber ich glaube eigentlich nicht, dass so sehr viele Pilger dieses Teilstück gehen. Man sollte sich also durchaus darauf einrichten, auch Mal ein, zwei Stündchen für sich zu sein.

Was gibt’s noch…? Ach ja:

Wetter

Jupp, hatte ich ich. Kein Sturm, Schnee oder Hagel, dafür anfangs zu viel Regen und am Ende zu viel Sonne. So ein Mittelding wäre nicht schlecht gewesen. Aber ich bin ja nicht aus Zucker, ich bin weder abgesoffen, noch zu Asche verbrannt. Auch wenn es in beiden Fällen knapp war. Was soll ich sonst zum Wetter noch groß schreiben? Außer vielleicht, dass – wie eigentlich alle Jakobswege, zumindest die, die ich bisher kenne – es bei so ziemlich allen Wetterlagen abseits des Extremen möglich ist, hier voran zu kommen.

Aber der Kontakt zu anderen leidet schon ein wenig darunter, wenn bei starkem Regen alle nur damit beschäftigt sind, schnell ihr Tagesziel zu erreichen und dabei mit gesenktem Kopf fast ausschließlich auf das Stück Straße vor ihnen schauen. Da ist es auch nicht so einfach mal eben spontan am Wegesrand ein Päuschen einzulegen, zumindest nicht, wenn man nicht klatschnass (so dass denn noch geht) oder weggeschwemmt werden möchte. Ich behaupte von mir, meistens ein recht sonniges Gemüt zu haben, aber die drei Tage Extremregen waren psychisch mitunter schon sehr fordernd.

Belohnungen

Drei Compostelas habe ich jetzt, drei Compostelas liegen zu Hause in der Schublade. Aber Hautsache, haben. Die Vorgehensweise hat sich nicht geändert: Online registrieren, mit dem QR-Code der Registrierung eine Wartemarke ziehen und dann schauen, wann man denn an der Reihe ist. Von manchen habe ich gehört, dass es in Stoßzeiten gut sein kann, dass man bereits mittags kein Nümmerchen mehr bekommt, weil die Schlange bis Feierabend sonst nicht mehr abgearbeitet werden kann. Ich hatte bisher immer Glück, die 30 Minuten Wartezeit für die Urkunde vom Inglés bedeuten für mich einen erträglichen Negativrekord. Wenn die Schlange deutlich länger gewesen wäre, hätte ich auch darauf verzichtet, mir das Warten anzutun.

Die Muxíana gab es vor Ort ja (für mich) nicht. Ob das jetzt am Wochenende lag oder generell schwierig ist, kann ich nicht sagen. Aber es gibt ja immerhin die Option, sich die Urkunde per Post nach Hause schicken zu lassen, wenn man dem örtlichen Touristenbüro eine Mail schreibt. Das habe ich von zu Hause aus auch getan – und dann erst Mal wochenlang nichts gehört. Ich war schon kurz davor, mich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen, als in meinem Briefkasten ein großer, offiziell aussehender Briefumschlag lag. Sicher wäre es nett gewesen, vorher irgendeine Art Feedback zu bekommen. „Hallo, wir haben Deine Mail erhalten. Wir schauen uns das an, Bearbeitung dauert ungefähr vier Wochen.“ Aber lieber so, als Wasserfall-Kommunikation und am Ende klappt dann doch nichts. Jedenfalls habe ich meine Sammlung jetzt komplett. Das „50%-Zertifikat“ aus Sahagún habe ich ja auch noch. So richtig schick finde ich die Muxíana allerdings nicht… Macht sich in der Schublade alles total super 😉

Die eine Frage zum Schluss

Das war jetzt der Teil zum „was war“. Bleibt das „was wird“ offen. Oder eher „Was wird?“, also mit einem großen Fragezeichen versehen. So richtig weiß ich das nämlich noch nicht. Sicher, auf meiner Liste von Wanderwegen, die ich als interessant und machbar, zeitlich wie physisch, eingruppiert habe, tummeln sich die Einträge. Aber was das Pilgern angeht, bin ich sehr, sehr unschlüssig. Aber kommt Zeit, kommt Rat. Bisher waren meine spanischen Trips ja auch alle irgendwie mehr oder weniger spontan, weil es eben gerade passte.

Übrigens, Steffi, Du hattest ja gefragt, was denn für mich den Unterschied zwischen Wandern und Pilgern ausmacht. Da schreibe ich in den kommenden Wochen noch etwas zu 😉

Aktuell überrasche ich mich jedenfalls selbst damit, dass ich mit dem Gedanken spiele, meinen nächsten Urlaub nicht damit zu verbringen, von A nach B zu latschen. Krass, oder? Aber das sagt ja erst einmal nichts darüber aus, ob ich dann nicht doch über wasauchimmer hier meinen Senf verzapfe. Also: Dranbleiben!

4 Gedanken zu “Camino Inglés y a Muxía – In English, please!

  1. Bei der Beschreibung des Ingles musste ich auch gleich an den gerade absolvierten Mosel-Camino denken, hohe Asphalt- und Schotteranteil, wenig Pilger und etliche Höhenmeter. Wie sagte mir die Herbergsmutter (sagt man das heute noch?) in Traben-Trabach: Wer den Mosel-Camino schafft, der schafft auch jeden der Wege nach Santiago de Compostela. Schau’n mer mal. Bis dahin gibt es auch in Deutschland viele schöne Wander- und Pilgerwege abzulaufen.

    1. Frau Böcking ist definitiv eine Herbergsmama, ob man das jetzt noch sagt oder nicht 😉

      Seit Corona sind der M-C und die vielen anderen Pilgerwege in Deutschland deutlich beliebter. Jetzt müsste es nur noch eine flächendeckende Herbergsstruktur geben, dann wäre es perfekt!

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