Alles dasselbe? Oder doch ganz anders?
Ich bin fast versucht, diesen Blogbeitrag mit “Liebe Steffi…” zu beginnen. Denn ihr Kommentar bzw. ihre Nachfrage zu einem meiner Beiträge über den Camino Inglés ist der Ursprung dieses Textes hier. Nur schreibe ich das, wo ich mir dazu schon Mal Gedanken gemacht habe, ja nicht nur für einen Menschen auf, sondern für jede und jeden, den das Thema vielleicht interessiert. Grüße gehen trotzdem raus in Richtung Harz 👋
Zwischendurch habe ich in verschiedenen Beiträgen ja bereits anklingen lassen, dass es zwischen Pilgern und Wandern – und erst recht zum spazieren gehen – für mich schon einen Unterschied gibt. Zwar ist das alles recht subjektiv und ich bin sicherlich nicht der am weitest gepilgerte bzw. gewanderte Mensch der Welt, aber ich versuche dennoch, meine Sicht der Dinge hier zusammenzufassen. Meine, ich will hier keine Allgemeingültigkeit meiner Aussagen implizieren. Um mein Gedankenchaos dazu zumindest halbwegs in geordnete Bahnen zu lenken, versuche ich es Mal mit verschiedenen Kategorien:
Die Begriffe – oder: Kopfsache
Wovon rede ich eigentlich? Einerseits geht es um eine Pilgerreise. Auch wenn ich das Wort nicht mag, da für meinen Geschmack hier ein bisschen zu viel Religiosität mitschwingt. Daher sage ich als nicht allzu gottesfürchtiger Mensch auch eher “ich gehe pilgern”, als “ich mache eine Pilgerreise”. Diese Reise beziehe ich persönlich nicht nur auf das geografische Fortkommen, sondern auch auf das Psychische. Diese Art von Reise kann es geben, muss es aber nicht – und erzwingen lässt sie sich schon Mal gar nicht. Während meines ersten Pilgerwegs hatte ich sie mir aus meiner persönlichen damaligen Situation heraus erhofft und zum Glück auch bekommen. Auf dem Português hatte ich darüber überhaupt nicht nachgedacht, habe aber trotzdem eine gemacht. Der Inglés war gut für die Seele, aber eine Reise in diesem Sinne war es nicht.
Also, um auf den Punkt zu kommen, geht es einerseits um das Pilgern. Auf das absolut Wesentliche zusammengefasst, ist es der Weg hin zu einem religiösen Ort, wie Rom, Jerusalem, Fátima, Lourdes, Assisi oder halt auch Santiago de Compostela. Aber auch Trier, Aachen, Kevelaer, Prag, Einsiedeln und unzählige mehr. Der Haddsch nach Mekka ist im Übrigen nichts anderes, das Pilgern ist nicht auf eine bestimmte Religion beschränkt. Eben aufgrund der oben beschriebenen inneren Reise beim Pilgern, umfasst das “Gesamtpaket” aber viel, viel mehr. Ob es beim Pilgern dann um einen Tagestrip geht oder um eine mehrwöchige oder sogar monate-, wenn nicht jahrelange Tour, spielt dabei erst einmal eine Rolle. Auch nicht die Art des Fortbewegungsmittels. Ob klassisch zu Fuß, zu Pferde oder segelnd oder eher modern mit Fahrrad, Auto, Bus oder Flugzeug, ist für den einzelnen Pilger mitunter auch egal. Wenn jemand durch eine organisierte Busreise nach Kevelaer mit anschließendem Kaffeekränzchen zu einer besonderen Erkenntnis gelangt, so ist seine bzw. ihre Pilgerreise erfolgreich gewesen, basta*)
Andererseits ist die Rede vom Wandern. In meinem Verständnis ist das “Bewegung an der frischen Luft”, ob jetzt im Wald, über Feld und Wiese oder wenn man es denn so mag auch durch Städte oder Industriekultur. Im Gegensatz zu einem Spaziergang ist beim Wandern das Tempo durchaus ordentlich bis stramm und die Strecke, die man sich dabei vornimmt, ist für gewöhnlich auch etwas länger. Ob man jetzt Wander-Tagestouren vorzieht oder Streckenwanderungen über mehrere Tage, spielt da erst Mal keine Rolle. Ich will dabei überhaupt nicht ausschließen, dass manche das Wandern zur inneren Einkehr nutzen und dabei dann vielleicht auch zu überraschenden Erkenntnissen gelangen, in den meisten Fällen steht aber die sportliche Aktivität, das sich Auspowern im Vordergrund – zumindest mache ich da den bzw.. sehe ich da einen Unterschied zum Pilgern.
Den dritten Begriff im Bunde, das Spazieren gehen, setze ich für mich mit “die Beine vertreten” gleich. Das kann alles sein, vom Verdauungsspaziergang nach dem Essen zur Vermeidung eines Suppenkomas, über die Runde mit dem Hund, bis hin zur Händchen haltenden Runde zu zweit um den See oder, oder, oder, … Allem gemein ist aber, dass das bei eher gemächlichem Tempo stattfindet. Wirkliche Spaziergänge würde ich persönlich auch nicht über einer Dauer von zwei, vielleicht drei Stunden verorten. Als solche sind sie im Weiteren, zumindest im Weiteren dieses Beitrags eher irrelevant, auch wenn man natürlich spazieren gehend auch gut den Kopf frei bekommen kann.
Der Weg
Unabhängig von der Begrifflichkeit Pilgern vs. Wandern unterscheiden sich – auch wiederum meine ganz persönliche Meinung – die beiden Wegtypen voneinander. Das Schöne ist, dass sich hierfür auch einige Wege mehr oder wenige direkt miteinander vergleichen lassen.
Nehmen wir Mal die Strecke von Treis-Karden bis nach Trier. Beide Orte sind sowohl über den Moselsteig, als auch über den Mosel-Camino miteinander verbunden. Während es bei letzterem recht entspannte 127 Kilometer vom einen bis in den anderen Ort sind, sind es auf dem Steig satte 237,5 Kilometer mit nicht unwesentlichen Höhenmetern. Oder Eifelsteig vs. Mathiasweg – beide Wege führen von Kornelimünster nach Trier. Während man etwa 313km wandert, muss man hingegen “nur” 232km pilgern. Dritter Vergleich – damit sind meine persönlichen Erfahrungen aber auch erschöpft – sind längere Teile des Heidschnuckenwegs, die räumlich parallel zum Jakobsweg Lüneburger Heide verlaufen. Diese beiden Wege kreuzen sich alle paar Kilometer, allerdings muss man dem Jakobsweg folgend deutlich mehr über Asphalt und Teer gehen.
Wer pilgert, ist also, zumindest was die Strecke angeht, zielstrebiger unterwegs. Das liegt daran, dass die Pilgerwege soweit möglich den historisch verbrieften Routen folgen – und mit historisch ist hier die Größenordnung von teilweise 1.000 Jahren und mehr gemeint. Im “finsteren” Mittelalter hatte der geneigte (wobei damals auch vielfach dazu gezwungene) Pilger wenig Interesse daran, etwas anderes als den möglichst direkten Weg zu seinem Pilgerziel zurückzulegen. In Teilen ist das sicherlich ein Henne-Ei-Problem. Worauf ich hinaus will: Entweder Klöster, Kirchen, Kapellen, Hospitäler waren schon vorher da und wurden seinerzeit von den Pilgern als Station genutzt oder diese Infrastruktur hat sich im Laufe der Zeit entlang dieser Wege gebildet. Dementsprechend ist es nicht weiter verwunderlich, dass man pilgernderweise auch heute noch an diesen Orten oder dessen Ruinen vorbeikommt und sie vielfach auch jetzt noch als Übernachtungsmöglichkeiten genutzt werden können.
Wanderwege sind da ja ein eher neuzeitliches Phänomen. Da wird dem Wanderer viel “Natur” geboten, mit Umweg links, Schleife rechts, Aussichten allerorten. Nur Ortschaften bzw. Infrastruktur sieht man dann gegebenenfalls eher aus einigen hundert Meter Entfernung, abgesehen von gelegentlichen Holzbänken oder, in der Luxusvariante, Holzbänken mit Tisch.
Ein Pilgerweg ist daher landschaftlich auch nur bedingt über seine ganze Länge schön, im Sinne von optisch ansprechend. Da führt der Weg auch des Öfteren durch Gewerbe- oder sogar Industriegebiete oder graue Vorstädte, während der Wanderweg entspannte vier Stationen mit dem Bus schon halb im Grünen beginnt. Häufig orientieren sich Pilgerwege auch an alten Handelswegen, die irgendwann zu Römerstraßen wurden, die irgendwann (gerne auch nach Jahrhunderten des Verfalls) zu asphaltierten Kreis-, Land- oder Bundesstraßen oder sogar zu Autobahnen wurden. Da pilgert man dann halt auch Mal gleich neben – in Spanien und Portugal zuweilen auch auf – der Fahrbahn, während die LKW mit 100 Sachen an einem vorbei donnern. Da aber weder altertümliche Ochsenkarren noch Pferdegespanne noch moderne LKW gerne starke Steigungen überwinden wollen, haben Pilgerwege hier jedoch den Vorteil, dass sie (meistens) die eher alpin geprägten Streckenabschnitte, über die sich Wanderer gerne (?) quälen, aussparen.
Der Weg ist das Ziel. Klar. Aber es sagt ja niemand, dass der Weg dabei auch schön sein muss. Von den Katholiken sagt man ja scherzhaft, die müssen leiden, weil es sonst nicht zählt. Das kann ich als Betroffener so allerdings nicht bestätigen. Aber darauf kommt es beim Pilgern zumindest hauptsächlich ja nicht an (s.o.), auch wenn man eine hübsche Landschaft und unbefestigte Wege als Gimmick natürlich gerne mitnimmt. Dafür hat man dann aber den Vorteil, dass es für gewöhnlich in unmittelbarer Nähe von quasi beliebigen Tageszielen ein Bett zu erschwinglichen Kosten gibt. Das gilt in jedem Fall für Spanien, Portugal und Teile Frankreichs. In Deutschland ist das an den vielfach erst in den vergangenen zehn, vielleicht 15 Jahren aufgeblühten bzw. wiederauferstandenen Jakobswegen noch lange nicht überall der Fall. Aber dazu später bzw. weiter unten mehr.
Das Ziel
Beim Pilgern hat das Ziel eine Bedeutung, es ist ein Symbol, beim Wandern ist es eher beliebig.
Das könnte ich an dieser Stelle einfach so stehen lassen, aber ich will doch versuchen, das weiter auszuführen. Auch wenn ich mich schwer damit tue, das, was ich ausdrücken möchte, in Worte zu fassen. Ich versuch’s einfach Mal und fange mit dem Wandern an:
Wie oben beschrieben, geht es beim Wandern eher um den Weg selbst. Die Natur, die Ruhe, Entspannung. Sicherlich sucht man sich einen Wanderweg aus, der einem auch zusagt, aber – zumindest ich – wähle diesen Weg nicht, weil er nach X Tagen in einer besonders tollen Stadt beginnt oder endet. Beispiel gefällig? Gut: Der Heidschnuckenweg. Beginnt in Hamburg, meinem Dafürhalten nach eine der lebenswertesten Städte in Deutschland. Endet in Celle. Fachwerkstadt, schick anzuschauen. Nur ist mir beides ziemlich egal, wenn ich erst Mal unterwegs bin. Es ist noch nicht Mal so, dass ich mich ab einem gewissen Punkt wirklich auf das finale Ziel eines Wanderweges freue – vielleicht abgesehen davon, dass ich ab und an doch ganz froh bin, wenn eine Tour endlich zu Ende ist 😅
Beim Pilgern ist das anders. Da freue ich mich irgendwie von Anfang an auf das eigentliche Ziel und je näher es rückt, desto größer das gefreute Schnitzel. Der Startort wiederum ist mir schon nach einem halben Tag fast egal. Nach einem Pilgerweg ist das anders, da denke ich oft daran zurück – wie an fast jeden einzelnen Etappenort. Das hat aber oft nur wenig mit dem Ort als solchem zu tun, als vielmehr mit den Dingen, die ich dort erlebt und den Menschen, die ich dort getroffen habe, s.u.
Aber das Ziel eines Pilgerweges ist viel mehr, als nur ein Ort auf der Landkarte. Ich kann es nicht beschreiben, aber irgendetwas treibt einen dorthin, wenn man erst losgegangen ist. Werde ich zu Hause gefragt, “Warst Du schon Mal dort?”, antworte ich meist mit “Ja, war schön.” – und das war’s dann auch. Ich kann nicht für Rom, Jerusalem oder andere große Pilgerziele sprechen, aber beim Gedanken an Santiago, denke ich zwar auch an die Stadt, aber vor allem schießen mir auch gleich 50.000 Erinnerungen an den Weg bzw. inzwischen die Wege dorthin durch den Kopf.
Ich habe irgendwann Mal gelesen:
Wenn man viel unterwegs ist, […] wird die Welt nicht größer, sondern kleiner. Jeder Ort, zu dem man zurückkehrt, kommt einem beim zweiten Mal bereits verbraucht vor. Reisen verdirbt, […] man überfrisst sich. Wenn man mal die Iguazú-Fälle gesehen hat, kann einem der Uracher Wasserfall sonst wo vorbeigehen.
Klaus Ronschkowski im SPIEGEL
Was das “Überfressen” angeht, gehe ich da überhaupt nicht mit. Dass Orte “verbraucht” sind, würde ich – sehr bedingt – mitgehen. Aber für Santiago de Compostela gilt das zumindest für mich nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich bei meinen drei Ankünften bzw. Aufenthalten in der Stadt jedes Mal in grundsätzlich unterschiedlichen Stimmungen war. Jedenfalls ist es so, dass ich vielleicht nicht immer in Hochstimmung war, mich aber doch gefreut habe, wieder dort zu sein. …und ganz abgelegenen Ecke meines Denkapparates schlummert auch schon der Gedanke, einmal mehr dorthin zu pilgern. Wie oben schon etwas versteckt gesagt, liegt das nur teilweise daran, dass die Stadt wirklich schöne Ecken und viel Charakter hat.
Um das nicht zu unterschlagen – selbst Trier, als Endpunkt des Mosel-Camino, ist für mich etwas Besonderes. Auch wenn mein Weg dorthin durch einige Tiefen ging, was man auch definitiv an meinem Schreibstil und auch der wirklich fehlenden Ausführlichkeit meiner Beiträge zum M-C merkt…
Die Menschen
Gleich vorweg:
Die Art und Weise der Interaktion mit den Menschen entlang eines Pilger- oder eines Wanderweges hat selbstredend viel mit der inneren Einstellung jedes/r einzelnen zu tun. Mir persönlich fällt es leicht, auf andere Menschen zuzugehen und ich habe (meistens) auch kein Problem damit, ein Gespräch anzufangen oder aufgedrückt zu bekommen. Fluch und Segen eines Kölners 🤷♂️ Auch wenn ich ab und zu gerne Mal mit mir alleine bin, versuche ich doch zum Übernachten irgendwo unterzukommen, wo man “unter Leuten” ist. Dazu muss es dann nicht zwingend ein Gemeinschaftsschlafsaal sein. Ich kann aber die Menschen, die lieber für sich bleiben und viel lieber in ihrem eigenen kleinen Zimmer mit vernünftigem Bett, Bettwäsche, Kopfkissen und einer eigenen Dusche mit vernünftigen Handtüchern absteigen auch verstehen. Ab und an gebe ich mir das schließlich auch. Aber mehr zu Herbergen & Co. gibt’s weiter unten.
Ich gehe wandern, weil ich an der frischen Luft sein möchte, Bewegung brauche, die Landschaft genießen oder meine Ruhe haben will. Meinen ersten Pilgerweg, den Camino Francés habe ich begonnen, um einer ausgewachsenen persönlichen Krise zu entkommen. Am Ende fand ich mich um einige Erkenntnisse reicher in Santiago wieder. Das hat mir gereicht, um mich mit dem Pilgervirus zu infizieren.
Grundsätzlich ist das Spektrum der Menschen, sich auf einen Pilgerweg zu begeben, unfassbar groß. Ob es Krisenbewältigung ist, man sich Erkenntnisse erhofft, Spiritualität sucht, Buße für etwas tun will und am Ende des Weges um Vergebung bittet, einen Verlust verarbeitet, jemand anderen auf seinem Weg begleitet, oder, oder, oder, … Natürlich finden sich auch viele Menschen, die den Sport dahinter sehen, die pilgern dann eben 40km und mehr am Tag. Können sie gerne tun, aber ich finde halt, dass sie sich damit den wunderbaren Prozess einer sich bildenden Pilger”familie” entgehen lassen, also die kleinen oder größeren Gruppen von Pilgern, die sich Tag für Tag in den Pausen, auf dem Weg oder in den Herbergen wiedertreffen und von denen nach spätestens drei Tagen jeder alles über jeden weiß. Wem es nur und ausschließlich um das berühmte “Walk, Eat, Sleep, Repeat” geht, der findet das sicherlich auch auf einer Langstreckenwanderung.
Durch die sehr weit gefächerten Beweggründe, sich auf eine Pilgerreise zu begeben, gibt es – wie schon mehrfach gesagt: rein persönliche Erfahrung – deutlich mehr “Typen”, mehr “Alternative”, im positivsten Sinne gemeint, die man unterwegs trifft. Da sind Menschen dabei, die ausschließlich im Zelt übernachten, um ihre Kosten so gering wie möglich zu halten oder gleich komplett komplett “ohne Geld” unterwegs sind. Hippies – ebenfalls im positivsten Sinne – Yuppies, Punks, Jugendliche, Rentner, Sportler, Menschen in der Midlife-Crisis, diejenigen, die einfach nur für eine Zeit lang ihrem Alltag entfliehen wollen, manche leben quasi seit Jahren auf dem Jakobsweg, you name it. Vor allem sind Pilgerwege deutlich internationaler, als Wanderwege, von Ausnahmen wie dem West Highland Way in Schottland oder den großen Wanderwegen in den USA abgesehen. Aus allen Ecken der Erde kommen hier Menschen zusammen. Ein wirklich, toller, bunter Blumenstrauß an Menschen, vor allem von denen, mit denen man vielleicht im Alltag sonst eher wenig bis gar nicht in Berührung kommt. Nur eines trifft man dann doch eher selten: Urlauber.
Ja, ich weiß – dank Gepäcktransport und den berüchtigen Jakobsweg-Pauschalreisen sind Tourigrinos insbesondere auf den letzten 100 Kilometern des Francés vor Santiago kaum zu übersehen und -hören. Aber im Gesamtpaket betrachtet, gehen sie meinem Empfinden nach im Rauschen unter. Daher bleibe ich dabei (auch wenn ich noch nicht in der Hochsaison meine Erfahrungen gesammelt habe, da mag das vielleicht anders aussehen): So richtige Urlauber gibt es fast gar nicht. Denn selbst viele vermeintliche Tourigrinos sind aus ihre eigenen Gründen vielleicht “Leichtpilger”, aber sie sind Pilger.
Was diesen großen Kessel Buntes angeht, ist aber für mich das Faszinierendste dabei, dass alle gleich sind. Der Manager mit siebenstelligem Jahresgehalt ebenso, wie der arme Student, der Jungspund ebenso wie der Boomer. “Wie heißt Du?”, “Wo kommst Du her?”, “Warum pilgerst Du?” Das sind in der Regel die ersten drei Fragen, wenn Pilger sich untereinander treffen. Erst danach folgt vielleicht die Frage “Wo bist Du losgegangen?” Nachdem man sich im Anschluss seine halbe Lebensgeschichte erzählt hat, kommt man vielleicht irgendwann zum “…und was machst Du so beruflich?”, vielfach auch verpackt im “Was machst Du so im normalen Leben?” Es ist auch sehr erstaunlich, dass sich Pilger untereinander häufig ohne sich groß zu kennen, gegenseitig recht schnell und weit öffnen und sich Dinge erzählen, die man ansonsten nur seinen engsten Freunden anvertrauen würde. Es bleibt halt in der Pilgerfamilie. Diese Art des Umgangs miteinander ist mir auf Wanderwegen in einer derart extremen Form bisher noch nie begegnet. Im Gegenteil, da habe ich es schon mehrfach erlebt, dass sich untereinander gesiezt wird, viele schweigen sich auch einfach nur an.
Apropos anschweigen – das ist auf Pilgerwegen in den allermeisten Fällen gerade Mal so überhaupt kein Thema. Im Gegenteil, da es mit “Buen Camino!” (oder seinem Äquivalent in allen denkbaren Sprachen) einen allgemeingültigen, verbindenden Pilgergruß gibt, der von allen immer und überall gerne und enthusiastisch verwendet wird, ist es manchmal schon fast zu viel des Grüßens. Häufig ist dieser kleine Gruß auch der Einstieg in wunderbare Pilgerfreundschaften und der Beginn von unzähligen Pilgerfamilien. Beim Wandern ist die Bandbreite einmal mehr deutlich größer und reicht von wortlosem aneinander vorbeiziehen bis zum geschmetterten “Horrido!” und es gibt sogar (nicht allzu ernst gemeinte) Diskussionen wie man sich unter Wanderern richtig grüßt oder ob man es besser gleich sein lässt.
An und in der näheren Umgebung von Pilgerwegen ist für gewöhnlich auch niemand überrascht, dass jemand auf die Idee kommt, mehr als drei oder vier drei Stunden am Stück über mehrere Tage, Wochen, Monate, zu Fuß zu gehen. Wandernd gibt es da zwar die Thruhiker, also diejenigen, die einen Langstrecken-Wanderweg ohne wesentliche Pausen von Anfang bis Ende unter die Füße nehmen. Aber die Mehrzahl der Menschen, die man dort trifft sind meiner Erfahrung und Einschätzung nach Tages- oder Wochenend-Wanderer. Oft genug habe ich in staunende, ungläubige Gesichter geschaut, wenn ich auf die Frage nach meinem Zielort mit “Heute noch bis XY und dann letztlich bis YZ” geantwortet habe. Dann folgte kaum weniger oft etwas in der Richtung “Ist das nicht wahnsinnig anstrengend?” oder “Da haben Sie sich aber etwas vorgenommen!”. Ja, weiß ich, danke 😅
Geht es nach und nach dem Ende einer Pilgerwanderung entgegen, merkt man das auch sehr stark an der Stimmung der Pilger. Der Großteil wird immer euphorischer, während manche in sich gehen und fast schon melancholisch werden. Da ist dann auch irgendwann das Wetter und das Drumherum egal. Menschen heulen in strahlendem Sonnenschein Rotz und Wasser oder singen und tanzen durch strömenden Regen. Das ist mir in der Form auf einem Wanderweg jedenfalls noch nicht aufgefallen…
Was so oder so eine echte Unart ist, und deswegen will ich hier auch nicht groß darauf eingehen, ist dass viel zu viele Menschen, ob Pilger oder Wanderer, viel zu oft nur noch auf ihr Smartphone schauen. Letztlich sind sie es selbst Schuld, wenn ihnen gute, tiefgründige Gespräche und damit vielleicht auch Freundschaften entgehen. Aber wir können nicht jeden retten 🤷
Die Infrastruktur
Die stark frequentierten Pilgerwege sind vielfach mit einer entsprechend gut ausgebauten Infrastruktur gesegnet. Herbergen, Pensionen, Hotels und B&B gibt es in der Regel im Abstand weniger Kilometer und häufig ist für jeden Geldbeutel und Geschmack etwas dabei. Fast überall lässt sich auch biwakieren oder man übernachtet in Kirchen, Pfarrhäusern, Scheunen oder schlägt sein Zelt auf der Wiese eines netten Bauern auf.
Für Unterkünfte an Wanderwegen darf man gerne den einen oder anderen Extrakilometer in Angriff nehmen, denn wie oben schon erwähnt, führen die Wege eher selten direkt durch die Orte. Je nachdem lässt sich vielleicht in einer Jugendherberge verhältnismäßig günstig übernachten, aber vielfach muss man auf die regulären touristischen Angebote zurückgreifen, sprich: Hotels oder Pensionen, mit oft entsprechend hohen Preisen, insbesondere in der Saison. Wanderheime oder ähnliches sind in manchen Gegenden recht häufig, in vielen Ecken gibt es diese Art der Unterkünfte aber gar nicht.
Einer der wichtigsten Punkte ist für mich aber, dass – auch hier gilt das in erster Linie für Spanien und Portugal und da in der Hauptsaison stellenweise auch nur eingeschränkt – man so gut wie immer und überall frei Schnauze pilgern kann. Was ich damit meine ist, dass für gewöhnlich nicht reserviert werden muss bzw. das in den kirchlichen und öffentlichen Herbergen bis auf wenige Ausnahmen auch gar nicht geht. Man kann also je nach Laune, Tagesform, Wetter oder weil es einem vor Ort gerade gut gefällt, jeden Tag so weit oder auch so kurz gehen, wie es beliebt. Sofern man nicht wild zeltet bzw. biwakiert ist beim Wandern dagegen eher Vorbuchen angesagt, zwei drei Nächte im Voraus sind da Standard, wenn nicht sogar die Quartiere für einen kompletten Weg schon festgelegt sind. Das bedeutet, dass man dann so gut wie keine Flexibilität mehr bei der Etappenplanung hat, es sei denn man findet Abkürzungen oder überspringt Teile der Strecke mit Taxi, Bus, Bahn, etc. Aber letztlich muss man dann halt abends dort sein, wo man reserviert hat.
Dafür nächtigen Wanderer aber in der Regel luxuriöser als Otto-Normal-Pilger. Schlafsäle inklusive Schnarchkonzert sind eher selten. Auch sonst sind Pilgerunterkünfte eher simpel gehalten. Sie stellen oft nicht viel mehr als ein Bett und eine Dusche zur Verfügung. Bettwäsche und Handtücher gibt es da schon nur in den teureren Herbergen. Für Wanderer ist Übernachtung mit Frühstück obligatorisch, das gibt es in Pilgerherbergen zwar auch oft, aber darauf verlassen kann man sich nicht. Immerhin gibt es fast überall eine Kochgelegenheit bzw. eine kleine Küche samt Kühlschrank, um sich selbst zu versorgen. Das Menú del peregrino in den Restaurants oder Bars für abends ist dann zwar häufig keine kulinarische Offenbarung, aber es ist zumeist lecker und sättigend. Dafür kostet es aber auch nur den Bruchteil eines regulären Abendessens im Restaurant.
Der Credential, also der Pilgerpass, ist dabei auf der iberischen Halbinsel die Eintrittskarte in die Herbergen. Ohne das gute Stück, dass mit seinen Stempeln darüber hinaus auch DAS Erinnerungsstück an einen Pilgerweg ist, kommt man in die kirchlichen und öffentlichen Herbergen gar nicht erst rein und auch viele private Herbergen setzen ihn voraus. Zudem bekommt man in viele Museen, Kirchen, usw. damit vergünstigten Eintritt oder derlei Schmankerl wie kostenlose Audio-Guides o.ä. Es gibt zwar vielfach auch Wanderpässe, aber dass sie so umfangreiche Benefits liefern ist mir nicht bekannt. Ich lasse mich da aber gerne korrigieren.
Die Menge an Food-Trucks, Lebensmittel- oder Apotheken-Automaten oder kleinen Donativo-Ständen die mitten im Nirgendwo stehen, an denen ich in nur einer Woche pilgernd vorbeigekommen bin, übersteigt die Menge derer, die ich auf allen meinen bisherigen Wanderungen insgesamt gesehen habe. um ein Vielfaches. Womit ich natürlich nicht sagen möchte, dass es so etwas an/auf/um Wanderwege herum nicht gibt, nur halt deutlich, deutlich seltener. Die Wasserversorgung in E, P und stellenweise F ist an den Jakobswegen ist neben den Einkehrmöglichkeiten über Trinkwasserstellen bzw. Brunnen geregelt. Das ist allerdings aufgrund des generellen Aufbaus der Versorgungssystems nicht nur auf die Pilgerwege begrenzt, sondern ist fast allgemeingültig. Auf Wanderwegen außerhalb dieser Gebiete kann es mitunter schwierig sein, frischen Trinkwasser zu bekommen und man muss ggf. den einen oder anderen Liter Wasser mehr mitnehmen. Auf Francés, Português, Inglés und ähnlich beliebten Wegen braucht man bis auf ganz, ganz wenige Teilstrecken im Grunde nicht mehr als einen oder anderthalb Liter Wasser im Gepäck.
Der Wohlfühlfaktor
Oben habe ich angedeutet, dass unterwegs alle Pilger gleich sind. Es gibt aber einen Punkt, da stimmt das vielfach nicht und es ergeben sich daraus dieselben unsinnigen Diskussionen, wie beim Wandern auch. Es geht um die Ausrüstung… Den meisten Wanderen und Pilgern geht das Thema sicherlich am Allerwertesten vorbei, aber manche Menschen scheinen sich dadurch zu definieren, dass sie anderen ihre vermeintlich bessere Ausrüstung unter die Nase reiben. Oder einen ungefragt über das viel zu hohe Gewicht des Rucksacks informieren. Bitte nicht falsch verstehen, dahinter steckt vielfach der ehrenwerte Gedanke, anderen zu helfen. Aber der Ton macht die Musik und bei manchen wird man das Gefühl nicht los, sie wollten sich nur ein bisschen über diejenigen erheben, die zu blöd waren, den Griff ihrer Zahnbürste abzusägen.
Woher das genau kommt, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen, und es ist zum Teil sicherlich auch nur ein sehr subjektives Bauchgefühl, aber ich hatte beim Pilgern bisher immer das Idealbild “Ankommen, Losgehen und Wohlfühlen”. Da gehört natürlich eine Portion Glück dazu, dass so erlebt haben zu dürfen, mutmaßlich spielt da auch die eigene Art, sich auf andere einzulassen, mit rein. Aber, weiter oben auch schon mehrfach erwähnt, Pilgerfamilien sind gang und gäbe. während es meiner Erfahrung nach beim Wandern bis auf wenige Ausnahmen eher bei Kurzzeitbegegnungen bleibt. Das liegt vermutlich daran, oben auch schon Mal angesprochen, dass es auf (deutschen) Langstreckenwanderwegen deutlich weniger Menschen gibt, die über mehr als wenige Tage am Stück wandern. Aber auch hier: Ausnahmen bestätigen die Regel, wie die angesprochenen “großen drei” in den USA oder der WHW in Schottland.
Was mich aber beim Pilgern immer wieder aufs Neue begeistert ist die Offenherzigkeit und Freundlichkeit aller Menschen, die in irgendeiner Art und Weise mit dem Pilgern zu tun haben. Na gut, fast aller, Ausnahmen gibt es auch hier. Aber Abgesehen von der Pilgerfamilie habe ich oft das Gefühl, dass sich gerne ein Bein ausgerissen wird, dass man sich auf und über jeden einzelnen Pilger freut, dass es für viele eine Passion ist, hier teilzuhaben. Abseits dieser gar nicht so kleinen Blase herrscht meinem Empfinden nach noch viel zu oft die Mentalität à la “Draußen nur Kännchen!” oder “Ham’wa nich!”, die mir den Eindruck vermittelt, manche hätten sich besser einen Job ausgesucht, bei dem man deutlich weniger mit Menschen zu tun hat. Das mag jetzt übertrieben dargestellt sein, aber ich versuche ja nur meinen Punkt ein bisschen herauszuarbeiten. Vielleicht auf wenige Worte zusammengefasst: Auf einem Pilgerweg hat es mehr Menschlichkeit, mehr Nächstenliebe.
Vielleicht braucht es das aber, um auf irgendeine Art einen Ausgleich für den mangelnden Komfort, die aufs Wesentliche reduzierte physische Ebene zu haben? Entbehrung wird quasi mit einer Extraportion Glück entlohnt?
Summa summarum
Mir fällt es stellenweise schwer, die für mich persönlich greifbaren Unterschiede zwischen Wandern und Pilgern, in Worte zu fassen. Am liebsten würde ich sagen “Probiert beides Mal aus, dann erlebt ihr es selbst.” Aber das wäre mir zu platt und es hilft ja auch zuvorderst niemandem weiter. Immerhin habe ich es für mich hinbekommen, meine Gedankengänge auch beim dritten Durchlesen dieses Textes im Abstand von ein paar Tagen noch selbst nachvollziehen zu können, da war ich mir anfangs nämlich auch überhaupt nicht sicher. Wahrscheinlich fallen mir später auch noch weitere Punkte bzw. Argumente ein, aber die kann ich ja dann immer noch in ein Update packen.
Für mich ist der Unterschied jedenfalls sonnenklar, was aber vor allem daran liegt, dass ich mich ja vorher schon in eine gewisse Grundstimmung und, ja, auch das, eine gewisse Erwartungshaltung versetze. Dass das nicht immer optimal in der Umsetzung ist, hat mir mein Mosel-Camino sehr deutlich gemacht. Aber da fehlten halt die Menschen auf und um den Weg, die ihn für mich besonders gemacht hätten. Wobei die Alte Lateinschule, respektive Frau Böcking schon enorm positiv heraussticht. Womit ich wieder bei Ausnahmen bin, denn alles hier geschriebene ist nun Mal rein subjektiv und keinesfalls allgemeingültig. Nur, um es noch Mal gesagt zu haben.
Pilgern ist eine Sucht und nur durch GEHEN heilbar.
Superfrauandrea im Pilgerforum
Ich wurde auch gleich beim ersten Mal angefixt, muss aber auch klar sagen, dass ich ebenso gerne Wandern gehe. Mal steht mir der Sinn nach dem einen, Mal nach dem anderen. Es ist halt beides auf seine Art toll – das lasse ich jetzt hier als Schlusswort so stehen.
Buen Camino!
*): Ich werde hier gar nicht erst anfangen, über “echte” vs. “unechte” Pilger zu sprechen oder irgendwelche Pilgertraditionen zu beschwören oder, oder, oder…. Dazu gibt es fast so viele Meinungen, wie Sandkörner an der deutschen Nordseeküste. Jeder so wie er oder sie es mag, alles andere ist doch Mumpitz.
Oh toll, Stefan! das muss ich erst mal sacken lassen und werd morgen genauer kommentieren!
Keine Eile ☺
Lieber Stefan, Deinen Ausführungen ist nichts mehr hinzuzufügen. Auch wenn ich “nur” Pilgererfahrung vom Mosel Camino habe, sehe ich das ganz genauso. LG von der Bergstraße, SonjaM
Lieber Stefan,
ähh .. gibt es eine Zeichenbeschränkung, was das Kommentieren angeht? 🙂
Vielen Dank erst mal für deine Ausführungen. In Vielem hast du absolut recht. Trotzdem muss ich an manchen Stellen widersprechen – Sorry, das gehört zu meiner Natur!
Zum Vergleich von Wander- und Pilgerwegen: Es stimmt, viele der klassischen Wanderwege ziehen endlose Schleifen und nehmen jede schöne Aussicht mit, statt den Wanderer mal ordentlich von A nach B zu führen. Aber solche Wege wandern Friedel und ich fast nicht. Oft sind wir als Streckenwanderer ja auf den europäischen Fernwanderwegen unterwegs, die sind auch eher zielgerichtet. Und jeden blödsinnige Schlenker muss man ja nicht mitnehmen. Was die Historizität der Wege angeht – es gibt jede Menge historische Wanderwege, die keine Jakobswege sind – gern schicke ich dir eine Liste zu! 🙂
Dazu, dass angeblich nur Pilgerstätten geeignete darstellen: Hab gerade ein Buch von Philipp Fuge gelesen, der zu Fuß von Süsspanien zum Nordkap gelaufen ist – na wenn das mal kein Ziel ist!
Ein großer Nachteil geschichtlicher Wege ist, dass sie (wie du schreibst) die bequemsten Routen waren und deshalb oft in der Nähe moderner Verkehrswege verlaufen. Für uns ist das nichts, ich vermeide jeden Kilometer an lauten Straßen entlang. Aber das ist Geschmacksache.
Ein großer Vorteil der Jakobswege ist in der Tat, dass es günstige und viele Überachtungsmöglichkeiten gibt. Aber diese Schlafsäle mit den Schnarchern sind gaaaar nix für uns. Da schlafen wir lieber im Zelt!
Aber jetzt komme ich zum Wesentlichen: Als Alleinwanderer ist es gewiss für viele schön, abends gleichgesinnte Wanderer zu treffen und nicht alleine den Abend zu verbringen. Aber wenn du erzählst, dass dir jeder gleich seine ´halbe Lebensgeschichte erzählt – uhhhh! Genau das ist einer der Gründe, warum ich nicht pilgern will. Das wäre für mich der absolute Horror!
Außerdem bezweifle ich, dass man bei dem Trubel zur inneren Einkehr kommt. Ich käme es jedenfalls nicht. Wenn ich eine wichtige Lebensfrage wälzen würde, würde ich eher die Einsamkeit nordischer Landschaften wählen.
Sehr gut – Wenn alle auf den Jakobswegen wandern, sind die anderen Wege nicht so voll. Gut für uns! 🙂
Danke für deine Erläuterungen – alles Geschmacksache, aber nun weiß ich noch sicherer, das ich keine Pilgerin sein möchte! 🙂
Liebe Grüße vom Harz
Steffi
Widerspruch? Das geht ja Mal gar nicht, ich rede nie wieder ein Wort mit Dir! Nein, Quatsch – das ist doch vollkommen ok, wäre ja auch irgendwie merkwürdig, bei so einem komplexen Thema vollständig einer Meinung zu sein. Ich habe jetzt auch ein bisschen länger gebraucht, um mich an eine Antwort zu geben. Mehr Zeit wäre schön…
Was das “sinnvolle Umgehen sinnfreier Schlenker” angeht, bin ich total bei Dir. Aber das wird der Fraktion derjenigen, die sich fast sklavisch an die ausgeschilderte Wegführung hält, nicht gefallen 😜
Früher sind die Menschen ja eher selten aus Lust und Laune gewandert. Gibt es da wirklich Wanderwege, die älter sind, als 17./18. Jahrhundert? Würde mich wirklich interessieren. Aber immerhin gibt es den Jakobsweg – wobei es den Jakobsweg ja gar nicht gibt – schon seit über 1.000 Jahren. Im Vergleich dazu sind die meisten Wanderwege wohl eher klassisch, statt historisch? aber genug der Wortklauberei. Südspanien bis Nordkap klingt zumindest in Teilen nach den Europäischen Wanderwegen?
Alleine Wandern/Pilgern ist ein gutes Stichwort. Ich bin bisher jedes Mal alleine los, alles weitere hat sich unterwegs ergeben. Das waren mitunter grandiose Begegnungen (Anm. des Autors an alle anderen: Einfach hier im Blog nachlesen 😉). Aber manchmal auch sehr merkwürdige, die ich im Nachhinein gerne vergessen würde. Am liebsten würde ich sagen: Man muss beim Pilgern keine tiefgründigen Gespräche führen, man kann aber. Das stimmt im Wesentlichen, aber manch eine/r versteht den Wink mit dem blinkenden, beleuchteten Zaunpfahl nicht und labert einem trotzdem eine Frikadelle ans Ohr. Da hat mir dann nur sanftes unhöflich sein geholfen. Was aber auffällt ist, dass diejenigen, die zu zweit, dritt oder in Gruppen unterwegs sind, eher unter sich bleiben.
ICh würde auch nicht sagen, dass es am Jakobsweg viel Trubel gibt. Trubel ist das, was man in den Sommerferien an einem sonnigen Samstag auf dem Drachenfels, in einem Freizeitpark oder im Schwimmbad erlebt 😆 Aber ich weiß, was Du meinst. Dem kann man relativ leicht entgehen, indem man nicht in der Osterwoche oder den spanischen Sommerferien pilgert und ab und an auch azyklisch unterwegs ist, also nicht in den “großen” Etappenzielen nächtigt. Oder halt nicht in Herbergen absteigt, allerdings ist man dann preislich wieder in anderen Größenordnungen unterwegs.
Ich kann nicht sagen, was wäre, wenn ich meinen ersten Pilgerweg “damals” anders erlebt hätte. So aber hat es mich angefixt und ich bin wiederholt bestätigt worden. Aber auch bei den Menschen, die dort unterwegs sind, gibt es nicht wenige, die sagen, das Pilgern wäre nichts für sie. Ist doch ok – und es ist auch eine Erkenntnis. Ich höre so auf, wie ich angefangen habe: Wäre doch schade, wenn alle das selbe gutfinden würden.
Viele Grüße
Stefan