Lechweg Tag 4 – Mit viel Anlauf zum Highlight

11. Juli 2023 – Elbigenalp – Stanzach (ca. 24 km)

Die Nacht war eher mäßig gut, es war viel zu warm, als dass ich tief und durchgehend hätte schlafen können. Aber das ist alles nichts, was mich heute von einem schönen Tag abhalten könnte und das sich vor allem nicht mit zwei Tassen starkem Kaffee beim Frühstück beheben ließe. Ich bin allerdings recht spät dran und habe ein wenig Sorge, dass ich dann wieder viel zu lange in der Nachmittagshitze unterwegs sein muss. Aber es soll heute nicht ganz so heiß werden, wie die vergangenen Tage , das wird schon.

Neben mir am Frühstückstisch sitzen zwei Paare, die ich in den letzten Tagen schon öfters gesehen habe, aber für mehr als eher halbherzigen Begrüßungen hat es bisher nicht gereicht. Da ich aber einen Stift benötige, um meine Abrechnung vom Abendessen gestern gegenzuzeichnen und bei ihnen auf dem Tisch ein Kugelschreiber liegt, bitte ich kurzerhand um eben jenen. Ich muss zwei Mal fragen, bevor reagiert wird und ich den Kuli mit einem “Mhhm!” rübergereicht bekomme. Vergeblich versuche ich damit meinen Wilhelm aufs Papier zu bringen. Von links höre ich da nur “Ja, das war bei uns auch so…”. Ich atme in den Bauch und denke, ich werde es für heute und die nächsten Tage wohl bei den halbherzigen Begrüßungen belassen… 🤦‍♂️

Nachdem ich an der Rezeption einen funktionierenden Stift bekommen habe, flitze ich noch schnell zurück aufs Zimmer, rüste auf und los geht’s.

Panorama

“Früher” ging der Lechweg entlang der Straße aus Elbigenalp hinaus, inzwischen folgt er unmittelbar dem Lech. Das ist landschaftlich sicherlich die schönere Strecke, raubt dem einen oder anderen Wanderer (oder ggf. auch Wanderinnen) die Möglichkeit, der Geierwally an den Hintern zu fassen. Anders lässt sich das Bild in meinem Wanderführer jedenfalls nicht interpretieren. Denn an der Straße steht ein nett gestaltetes Ortsschild (eher eine Skulptur), die auf Elbigenalp als Geburtsort der Geierwally hinweist (Mangels eigenem Bild hier eines von der Homepage meines Hotels, ich hoffe, das stört niemanden) und bei der die Geierwally in “Grapschhöhe” im Fels hängend dargestellt ist. Gleich dahinter geht es zur Geierwally-Freilichtbühne, auf der jährlich die Geierwally-Festspiele stattfinden. Ich lasse die Geierwally Geierwally sein, denn ich komme da ja ohnehin nicht vorbei. Stattdessen folge ich im Gegensatz zu gestern diesmal dem richtigen Weg wieder hinunter zum Fluss und steige wieder in den Lechweg ein.

Die ersten paar Kilometer heute sind absolut anspruchs- und ereignislos. Womit ich nicht sagen will, dass sie langweilig wären, im Gegenteil. Es geht sanft auf uns ab, durch kleine Waldstücke, über Feldwege und Wiesen. Es ist wirklich schön, aber da ich nicht viel anderes zu tun habe, als einen Fuß vor den anderen zu setzen und Löcher in die Luft zu gucken, wäre auf dem Stück hier ein bisschen Gesellschaft zum Plaudern nicht verkehrt. Vielleicht hätte ich mich doch nicht vom Kugelschreiber abschrecken lassen sollen? Egal. Ich stiefele vor mich hin und genieße. Irgendwann fällt mir ein, dass ich ja meine Kopfhörer im Rucksack habe und durchaus Musik hören könnte, aber so richtig Lust habe ich da nicht wirklich drauf. Da rundherum niemand in Sicht- geschweige denn in Sichtweite ist, wird erst gepfiffen, dann gesummt, gefolgt von stupidem “Lalala”, bis ich letztlich fröhlich vor mich hinsinge. Wie es bei mir halt so ist: Nicht gut, aber dafür enthusiastisch und vielleicht ein bisschen zu laut 😇

Wenn ich mir meine Bilder dieses Abschnitts so anschaue, könnte man fast den Eindruck bekommen, Wiesen und Weiden hätte es hier nicht gegeben. Aber ich scheine hier einfach zu verträumt gewesen zu sein, um auf den Auslöser zu drücken. Wobei spektakulär und fotografierwürdig war da wenig – und von den Bergpanoramen habe ich ja schon mehr als genug Bilder…

Nach etwa elf Kilometern kommt Häselgehr in Sicht. Selbstredend gibt es auch hier wieder ein Freibad, allerdings hält sich meine Sehnsucht nach einer ausgiebigen Runde im Becken heute in Grenzen, denn – kleiner Spoiler – ich weiß, was mich heute am Zielort erwartet. Das, was ein bisschen lieblos abgestellt hinter dem Umkleidehäuschen des Schwimmbads abgestellt ist, wirkt einigermaßen verstörend:

Ähm… 🤨🧐🤔

Was Häselgehr noch so zu bieten hat? Eigentlich nichts, auch wenn es ganz nett ausschaut. Heute (nur heute?) scheint hier aber der Hund begraben zu sein, selbst im Freibad ist nichts los. Highlight ist die tatsächlich noch funktionierende Telefonzelle – ja, ich hab’s getestet.

Wer bremst, verliert

Immer wieder ging und geht es heute über mehr oder weniger kleine Brücken über den Lech, so richtig für ein Ufer entscheiden mag sich der Lechweg heute nicht. Aber wenigstens geht man für die nächsten paar Kilometer fast unmittelbar am Wasser entlang. An einer Stelle kommt das Wasser dann auch von oben und wird von mir für eine kurze, SEHR erfrischende Dusche genutzt. Irgendwo vorher stand ein Schild in Richtung Doser-Wasserfall, ob das der Kandidat hier auch ist, weiß ich ehrlich gesagt nicht, aber er befindet sich egal wie er heißen mag, wandererfreundlich gleich neben dem Weg. Dass meine Klamotten jetzt nass sind, stört mich nicht weiter, denn durch das warme Wetter sind sie innerhalb einer halben Stunde wieder getrocknet.

Zu sagen, dass es ab hier nur noch stur geradeaus bis Stanzach geht, wäre übertrieben. Aber doch, längere Abschnitte über Wiesen sind doch schnurgerade. Zu diesem Stück meint mein Wanderführer:

Info zur Rotflügeligen Schnarrschrecke
Auf diesen südwest-exponierten warmtrockenen Wiesen lebt die Rotflügelige Schnarrschrecke (Psophus stridulus). Die wärmeliebende Art aus der Familie der Ödlandschrecken macht ihrem Namen alle Ehre: Wenn sie aufgeschreckt wird, fliegt sie mit einem laut schnarrenden Geräusch auf und breitet dabei ihre großen roten Hautflügel aus. Eine effektive Abschreckwirkung gegen Fressfeinde!

aus der Etappenbeschreibung meines Wanderführers

Ok, offensichtlich ist das hier doch super interessant, denn schließlich erlebe ich hier südwest-exponierte warmtrockene Wiesen! Das stelle man sich Mal vor! Die rotflügelige Schnarrschrecke (spitzen Schimpfwort!) hatte aber offenbar Mittagspause, denn von diesem possierlichen Tierchen (bitte hier die Stimme von Bernhard Grzimek vorstellen) war weder etwas zu sehen noch zu hören.

Was es im Gegensatz dazu aber leider mehr als genug gab, waren Bremsen! Die wenigen Strecken, an denen der Weg mich in Wassernähe entlang führte und an denen Bäume und sonstige Flora für ein etwas kühleres, feuchteres Biotop sorgen, sind hier wieder voll vor den Viechern. Ich kann sie gar nicht so schnell vertreiben, wie sich wieder eine auf meine Beine setzt und innerhalb kürzester Zeit sind die Waden wieder blutverschmiert. Supi.. Nach der letzten Bremsen-Orgie an meinen Beinen habe ich schon etliche Pusteln. Wenigstens jucken die noch nicht oder tun weh, aber aus Erfahrung weiß ich, dass das erst in ein paar Tagen kommt. Was für nervige Viecher! Ich lege mindestens zwei Gänge zu und sehe zu, so schnell wie möglich hier wegzukommen. Vielleicht sollte ich auch laut schnarrende Geräusche von mir geben? Scheint ja gut gegen Fressfeinde zu sein?!

Kurz vor Stanzach zeigen ab und an Wegweise in Richtung des Örtchens Namlos. Das liegt zwar ein paar Kilometer weiter weg in einem Nebental und hat mit dem Lechweg überhaupt nichts zu tun – aber ich komme nicht umhin, mich zu fragen, wie arg unbedeutend ein Ort in Mittelalter (oder wann auch immer hier zuerst gesiedelt wurde) gewesen sein muss, um nicht einmal einen richtigen Namen zu bekommen?

Knietief!

Ich bin heute sehr zeitig dran. Die Etappe hat Spaß gemacht und war auch nicht allzu schwer. Da es leider wieder einmal wenig bis keine Gelegenheit zur Halbzeit-Einkehr gab, habe ich auch nicht allzu viel Zeit beim Pausieren vertrödelt. Daher kann ich in in Stanzach angekommen in meiner Unterkunft noch nicht einchecken.

Ich habe wenig Lust, im Ortszentrum herumzugammeln, es ist eh alles geschlossen, Mittagspause. Es gibt also zum Zeitvertreib jetzt genau zwei Alternativen:
Am gegenüberliegenden Ufer gibt es den Aussichtsberg Baichlstein, auf den könnte ich hochmarschieren und die Aussicht genießen. Aber ich sage mir, dass gut 250 Höhenmeter in der Mittagssonne mit mir freiwillig nicht zu machen sind, so schön kann die Aussicht gar nicht sein. Dazu ist die zweite Alternative auch viel, viel, viel zu verlockend und da spekuliere ich schon den ganzen Tag drauf. Denn direkt hinter meiner Pension plätschert der Lech. Und der Lech ist an der Stelle mitunter schon so breit, dass er sich ein ordentliches Flussbett geschaffen hat. Eben dieses ist beim aktuell vorherrschenden Sommerwetter hervorragend als Strand zu nutzen. Zwar ein wenig steinig, aber hey.

Meine nächste Maßnahme ist es also, mitsamt meinem Gerödel runter ans Wasser zu gehen und mir dort ein schattiges Plätzchen zu suchen. Fünf Sterne deluxe, ich lasse einfach Mal die Bilder sprechen:

Weiter als bis zu den Knien habe ich mich aber nicht getraut. Das Wasser ist echt eisig. Aber es ist sooooooo erfrischend! Arme reinstrecken und auch Mal den Kopf untertunken, ging natürlich auch. (Außerdem wurden die Beine auf die Weise wieder sauber und das kalte Wasser hat bei den Stichen bzw. Bissen grundsätzlich echt gutgetan.)

Ich verziehe mich erst, als die Sonne so weit herumgewandert ist, dass kein Schatten mehr für mich übrig ist. Ich müsste recht lange zurückdenken, wann ich denn das letzte Mal einen so dermaßen entspannten Nachmittag hatte.

Nachdem ich dann doch irgendwann mein Zimmerchen bezogen habe – klein, aber mit Balkon! – und nach ausgiebiger Dusche und Wäsche machen, gehe ich ganz gemütlich in den Ort. Ich habe Hunger. Es gibt genau zwei Restaurants, von denen eines allerdings geschlossen hat. Da die einzig andere Lokalität aber von außen einen schicken Eindruck macht und direkt am schönen Kirchplatz gelegen ist, habe ich da überhaupt kein Problem mit. Allerdings gestaltet sich das Essen und Trinken für mich und alle anderen Gäste recht schwierig, denn der Laden scheint eine One-Man-Show zu sein und dieser Man ist ein gebückt gehender Senior, der sichtlich überfordert ist. Seine zwei Bedienungen haben ihn wohl im Stich gelassen, sodass er sich um Bedienung und Küche gleichzeitig kümmern muss. Das kann natürlich nicht funktionieren und so bieten wir Gäste ihm an, zum Bestellen zu ihm reinzukommen und auch alles am Tresen abzuholen. Wenn irgendetwas fertig ist, soll er einfach rufen. So kann er sich zumindest um die Küche kümmern.

Das klappt super, das Essen ist megalecker und als ich bezahlen gehe, gibt es als Dankeschön nicht nur einen, nicht zwei, sondern gleich drei Kurze. Geschmacklich erinnert der Stoff an Genever Likör. Die Flasche hat kein Etikett und laut dem Hausherrn ist das ein Gebräu mit “vielen lokalen Kräutern und Früchten”. Egal, war lecker 😅

Als ich wieder in Richtung Pension ziehe, ist der Himmel noch strahlend blau. Als ich auf meinem Balkon die Wäsche zur Seite räume, um Platz für mich und mein Buch zu haben, ist es schon wolkenverhangen. Keine Viertelstunde später fängt es an zu regnen. Das wird für die kommenden Tage das Programm. Aber da mache ich mir Gedanken drüber, wenn es so weit ist. Jetzt und hier freue ich mich darüber, dass es merklich abkühlt und ein frischer Wind weht.

2 Gedanken zu “Lechweg Tag 4 – Mit viel Anlauf zum Highlight

  1. Ich habe deine Ausführungen wieder mit Interesse gelesen und gebe Dir recht, dass diese Etappe die einfachste und auch von den Sehenswürdigkeiten her betrachtet am wenigsten zu bietende war. Wir fuhren daher nach einem erholsamen Ruhetag von Elbigenalp zumächst mit dem Bus bis zur Haltestelle Häselgehr Sportplatz. Von dort aus liefen wir uns ca. 1 km auf der Hauptstraße ein ehe wir dann an der Pfarrkirche St. Martin den Lechweg erreichten dem wir bis nach Stanzach zu unserem Hotel folgten. In Vorderhornbach machten wir in einem Gasthaus, dessen Name mir leider entfallen ist, Mittagspause. Lt. den Aufzeichnungen meines Garmin 62st legten wir 16,74 km bei einer Höhendifferenz von 630 m zurück.

    1. Wie immer vielen Dank für die Blumen 😊
      Die Etappe war nicht sonderlich spektakulär, aber trotzdem ganz nett. Wobei ich die jetzt folgende nach Höfen deutlich langweiliger fand. Aber die aufzuschreiben, bin ich noch dran.

      Ich bin wirklich froh darüber, dass bis auf wenige Ausnahmen die Hauptstraße links bzw. rechts liegen gelassen wird. Da ist mitunter doch recht viel Verkehr und einen Fußweg gibt es noch längst nicht überall. Außerdem sind insbesondere die Motorräder viel zu laut. Dann doch lieber in beschaulichem auf und ab über vermeintlich langweilige Wiesen.

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