Lechweg Tag 5 – Da muss ich jetzt durch

12. Juli 2023 – Stanzach – Höfen (ca. 22 km)

Ach, was ist das schön – da schreibt man über Wochen immer häppchenweise an einem Beitrag, freut sich dass man ihn endlich fertig hat… …und vergisst dann, ihn auch freizugeben. Jetzt aber:

Heute wird ein Tag mit ziemlich entgegengesetztem Programm im Vergleich zu den letzten Tagen. Wasser hatte es zwar bisher auch schon genug, aber das plätscherte oder rauschte fast ausschließlich im Lech neben mir her. Heute kommt ein guter Anteil von oben. Auch die Charakteristik des heutigen Tages ist am besten umschrieben mit: flach. Aber lest selbst:

Rotkäppchen unterwegs

Im Laufe der Nacht hat es sich richtig schön eingeregnet. Ich bin irgendwann aufgestanden und habe die Balkontür weit aufgemacht. Da meine Wäsche noch nicht richtig trocken ist, hat sich über die letzten Stunden ein sehr feucht-warmes Klima in meinem Zimmer etabliert. Jetzt kommt zwar frische Luft rein, aber die Feuchtigkeit drinnen und draußen halten sich etwa die Waage. Dafür bekomme ich Besuch von einer guten Handvoll Mücken, aber nach den Bremsen-Attacken schreckt mich das auch nicht mehr.

Auch als ich sehr zeitig wach werde, ist draußen alles grau in grau und es regnet Bindfäden. Der Wetterbericht verspricht erst gegen Mittag ein oder zwei Stunden Sonnenschein, bevor es nass weitergehen soll. Es hat sich auch merklich abgekühlt, aber das ist nach den vergangenen Hitzetagen auch keine Kunst. Es ist aber immer noch warm genug, dass ich in kurzen Wanderklamotten durch den Tag marschieren werde. Aber erst einmal heißt es frühstücken.

Das Frühstück ist… …ausbaufähig, diplomatisch gesagt. Ich habe selten etwas schlechteres gehabt. Dünner, aber trotzdem bitterer Kaffee aus der Pumpkanne, Aufbackbrötchen, labbriger Toast, abgepackte Marmelade und eine nicht vorhandene Auswahl an Wurst und Käse. Das ist bisher mein absolutes Lowlight und ich werde schon ein bisschen muffelig. Ich esse nur das Nötigste, um etwas im Magen zu haben und nehme mir fest vor, heute Mittag irgendwo einzukehren. Dafür würde ich heute sogar einen Umweg in Kauf nehmen!

Noch im Foyer schlüpfe ich unter meinen Poncho und starte die heutige Etappe. Es fängt richtig schön an – ein geschotterter Weg direkt am Fluss, Bäume links und rechts und abgesehen vom leise prasselnden Regen ist es herrlich still. Das wäre wieder eine Stimmung, die perfekt dazu geeignet ist, in Gedanken verloren stupide vor sich hinzustiefeln, aber die nächsten Kilometer erfordern gleich zwei Dinge meine Aufmerksamkeit:
Erstens die vielen Pfützen. Die sind zwar nicht wirklich tief und mangels Verkehr gibt es hier auch keine Spurrinnen, in denen sich das Wasser sammeln kann, dafür sind sie aber sehr ausgedehnt und bilden eine nicht unerhebliche Seenplatte. Es lässt sich überhaupt nicht vermeiden, ab und an ins Wasser treten zu müssen, aber ich versuche zumindest, mich am Rand entlangzuschlängeln.
Zweitens eine ganze Invasion von Molchen – ganz korrekt sind es Alpensalamander – und Schnecken, die sie ebenfalls meist am Rand der Pfützen aufhalten. Ich versuche, möglichst keines der Tierchen plattzutreten. Das klappt auch ganz gut, führt aber zu viel links-rechts Gehüpfe.

Der Regen wird nach und nach weniger, aber in gleichem Maße klettert die Temperatur wieder nach oben. Die erste Stufe zum Entledigen meines Ponchos ist, dass ich ihn so weit wie möglich nach oben reffe und in den Gürtel stecke. So kommt wenigstens mehr Luft an die Beine. Das schränkt aber die Luftzirkulation am Oberkörper arg ein und ich fange das Schwitzen an, sodass ich auch irgendwann aus den Armlöchern schlupfe und nur noch die Schultern und den Rucksack bedeckt lasse. Auf die Art hält er aber nicht wirklich an Ort und Stelle, also ziehe ich mir die Kapuze über, die ich sonst nur im Nacken aufgerollt habe, da mein Hut alles im Kopfbereich ausreichend schützt. Also jetzt Kapuze auf, Hut drüber, doof ausschauen. Falls ich vergessen haben sollte, weshalb ich die Kapuze nicht mag, wäre es mir jetzt wieder eingefallen: Das laute Geraschel, wenn ich meinen Kopf auch nur ein bisschen bewege, nervt mich total. Zum Glück muss ich mir das nicht lang antun, denn es hört recht schnell auf mit dem Regen, dass ich den Poncho komplett hinten am Rucksack verstaue. Zwischendurch nieselt es zwar immer wieder für ein paar Minuten, aber dafür lohnt es sich nicht, Regenschutz anzulegen.

Flechten und Hängen

Inzwischen bin ich in einem Bereich des Lech angekommen, der als “Lechzopf” bekannt ist Mangels Flugzeug habe ich kein Bild von oben, aber ich versuche, zu erklären:
Das Flusslauf ist hier recht flach und da der Lech nicht kanalisiert ist, kann er sich hier je nach Wasserstand und Lust und Laune in einem recht breiten Streifen sein Bett aussuchen. Teilweise teilt er sich, fließt wieder zusammen und das Ganze von vorne. Von oben betrachtet schaut das dann aus, wie ein Zopf. Von der Seite und bei dem trüben Wetter betrachtet, ist es zwar für eine Mondlandschaft zu grün, aber es könnte auch eine Gerölllawine hier lang gerauscht sein. So richtig spannend ist das nicht, ich finde es bei dem trüben Wetter sogar ausgesprochen eintönig. Einzig die schon gewohnten Wegelagerer peppen es hier ein bisschen auf. Denn Mal wieder blockieren Kühe den Weg vor mir, gehen aber schnell zur Seite, als ich mich nähere. Wie immer, wenn mir ein unterwegs ein bisschen langweilig ist, gehen mir viele, viele, VIELE unnütze oder dämliche Gedanken durch den Kopf. In dem Fall: Ich bin “Muhses”, teile zwar nicht das rote Meer, aber die bunte Kuhherde. Ach, lasst mich einfach zurück, mir ist eh nicht mehr zu helfen 🤪

Ich mache einen kleinen Abstecher zum Vogelbeobachtungsstand Forchach, an dem er hier und jetzt aber nicht viel zu beobachten gibt. Die Vögel bleiben bei dem Wetter bestimmt auch lieber in ihren Nestern. Ich nutze die vorhandenen Bänke aber immerhin dazu, meinen Poncho ordentlich zu verstauen. In dem kleinen Häuschen wimmelt es von Eidechsen, aber von denen will sich keine fotografieren lassen.

Forchach selbst bekommt man allenfalls als Schemen, die durch die Bäume blitzen, mit. Macht mir aber nichts, denn für eine Mittagspause ist es noch viel zu früh. Nicht allzu weit weg vertrödele ich aber dann doch ein bisschen Zeit, denn auch wenn der Lechweg nicht über die Forchacher Hängebrücke führt, so doch unmittelbar dran vorbei. Da kann ich nicht anders und gehe zumindest bis zur Mitte der Brücke, um von oben auf den Lech zu schauen und den Auslöser meiner Kamera zu drücken. Die Brücke ist nicht halb so spektakulär, wie die Hängebrücke Holzgau und sollte damit wohl auch für von Höhenangst geplagte gangbar sein, auch wenn der Boden hier ebenfalls aus Gitterstegplatten besteht und man direkt nach unten ins Wasser schauen kann.

An, aus, an, aus, …

Auch wenn das heute ein denkbar einfacher Wandertag ist – die Strecke ist fast bretteben – so sinkt meine Laune trotzdem langsam, aber sicher dem Tiefpunkt entgegen. Es tröpfelt zwischendurch immer wieder, sodass ich den Poncho dann doch wieder aus dem Rucksack hervor krame. Aber durch die hohe Luftfeuchtigkeit ist es eigentlich egal, ob ich ihn jetzt anhabe, oder doch nicht, denn nass bin ich so oder so. Ich beschließe daher, dieses Spiel nicht mehr mitzuspielen und stopfe den roten Sack unter den Schultergurt. Da stört er mich akut beim Gehen am wenigsten und ich komme schnell dran. Denn wenn es zu schütten anfinge, würde ich dann doch bei der Wahl zwischen triefnass und schweißnass letzteres bevorzugen.

Der Vormittag endet dann mit einem mächtigen “AN”. Die Sonne kommt raus, und wie! Ich bin gerade über die Johannesbrücke und an einem eigentlich recht idyllische Baggersee vorbei, da reißen die Wolken auf.

Innerhalb kürzester Zeit wird es fast wieder so heiß, wie die vergangenen Tage. Mit dem Unterschied, dass es jetzt eine ganze Menge Wasser gibt, das verdampfen möchte. Ich bin froh, dass es zeitig aus dem …. naja, “Wald” wäre übertrieben, sagen wir “Gegend mit regelmäßigem Baumbestand” hinaus geht, denn hier steht die Luft und in der etwas freieren Ebene geht zumindest ein klitzekleines bisschen Wind, das macht die hohe Luftfeuchte erträglicher.

Über Umwege komme ich dann auch bald in Weißenbach am Lech an. Umwege deshalb, da der deutlich direktere Weg sicherlich unten am Fluss verlaufen würde, der Lechweg sich aber einige hundert Meter abseits davon an den Rändern der Felder entlang schlängelt, um dann kurz vor Weißenbach scharf rechts abzubiegen, in den Ort hinein. Aber das soll keine Beschwerde sein, zumal ich ja auch gar nicht weiß, wie es um den Uferweg bestellt ist. Über matschiges, unebenes Gelände zu stolpern, da hätte ich gar keine Lust drauf. Außerdem gibt es hier ein bisschen Aussicht.

Gleich neben der Kirche ist eine Wiese. Auf der Wiese stehen Bänke. Die Bänke stehen in der prallen Sonne und sind daher schon wieder trocken. Aber das Beste ist der Supermarkt 50 Meter hinter den Bänken. Korrekterweise der Bäcker im Vorraum des Supermarktes. Mittagspause! Ich nehme eine komplette Bank in Beschlag und breite meinen Kram zum Trocknen aus. Das Risiko, kurz für Beschaffungsmaßnahmen in den Supermarkt zu entschwinden und meine Sachen unbeaufsichtigt zu lassen, gehe ich ein. Dauert ja auch nicht lange, nach nicht einmal fünf Minuten fläze ich mich, bewaffnet mit belegten Broten (ja, Mehrzahl 😉), einem großen, heißen Kaffee und einer kalten Flasche Cola neben meine Sachen und genieße eine ausführliche Pause. Ich denke sogar kurz darüber nach, mich fünf Minuten aufs Ohr zu hauen, lasse es dann aber bleiben. Dann lieber heute Nachmittag im Hotel frisch geduscht ein Nickerchen zu machen. Worüber ich aber viel eher hätte nachdenken sollen, wäre Sonnencreme gewesen. Ich habe mich die ganze Zeit regelmäßig eingeschmiert, aber hier sitze ich in der Sonne, lasse mich braten und vergesse es. Nunja… Aber zum Glück ist hieraus kein Sonnenbrand entstanden, die Haut spannt nur ein wenig. Nichts, dass sich nicht wieder wegcremen ließe.

Das Wetter hält sich zumindest noch ein paar Minuten, zumindest solange, bis ich aus Weißenbach raus und auf der anderen Lechseite an einem gut gemeinten Versuch einer “der Schuh des Manitu”-Referenz vorbeigehe. Bei Sonnenschein schaut auch der Lechzopf gleich ein bisschen ansprechender aus.

Aber nicht lange danach zieht es sich innerhalb von wenigen Minuten wieder zu und es beginnt erneut, zu regnen. Diesmal aber nicht Tropfen für Tropfen, sondern in Strömen. Nach meiner entspannten Mittagspause habe ich aber so gute Laune, dass mich das zunächst überhaupt nicht stört. Zumal es bis und durch den Ort Rieden sehr gemütlich über eine kaum noch benutzte und stellenweise sogar schon im beginnenden Verfall befindliche Straße geht. Direkt unterhalb eines Hangs und dicht mit alten Tannen bewachsen, ist das mit dem Regen irgendwie fast schon urig. Dazu passend laufe ich einem Reh über den Weg, dass wohl mindestens ebenso überrascht ist, wie ich. Zumindest schauen wir uns einige Momente recht blöde an, als ich um eine Kurve biege, hinter der das Reh am Rand der Straße steht und wir uns unvermittelt in ungefähr zwei Metern Entfernung gegenüberstehen.

Mein gelbes Wanderbuch erwähnt, dass es hier Neuntöter gibt, possierliche Vögelchen, deren niedliche Eigenart es wohl ist, Beutetiere auf Dornen aufzuspießen. Da ist der Name Programm! Ich gehe davon aus, dass ich als Beute ohnehin nicht in Frage komme, denn ich lese nirgendwo etwas davon, dass sie einem Piranhaschwarm gleich über einen herfallen. Außerdem versteckt sich ohnehin alles außer mir (und dem Reh) vor dem Regen. Da kann ich beruhigt und gefahrlos weiterziehen.

Einfach nur der Nase nach

Hinter Rieden biegt der Lechweg dann wieder gemächlich in Richtung des Flusses ab – ab da wird es dann echt eintönig. Mein Stimmungs-Hoch wurde und wird durch den Regen auch mehr und mehr weggespült, da kann ich mich gerade nicht unbedingt für trübes grau-in-grau und eher nordisch anmutenden Nadelwald begeistern. Zudem geht es einfach nur flach geradeaus, die einzige Abwechslung sind die Pfützen, denen ich ausweichen muss. Je näher ich an mein Tagesziel komme, desto eher ist es mir aber auch egal, ob ich in eine reinlatsche, meine Schuhe halten das aus.

Bei besserem Wetter und besserer Laune ist die Geschiebefalle Hornbach bestimmt sehr interessant, immerhin ist dieses Projekt für Hochwasserschutz und Renaturierung gleichermaßen wichtig. Aber auch, wenn es dann doch wieder kurz aufgehört hat, zu regnen, widme ich dem Ganzen nicht mehr, als einen kurzen Blick. Ich will gerade nur noch ankommen.

Zum Ende der Etappe gehe ich nach wie vor geradeaus, immer am Ufer des Lechs. Allerdings gehe ich auf diese Weise (nicht sehr) fröhlich an meinem Etappenziel, d.h. dem kompletten Ort Höfen vorbei. Denn erst hinter dem Ort gibt es eine Brücke. Vorher gäbe es wegen der Geschiebefalle und wegen des kleinen Sportflugplatzes hier keine sinnvolle Möglichkeit. Luftlinie 200-300 Meter, Fußweg bestimmt anderthalb Kilometer. Der weitere Weg ist aber weniger ein Thema, als vielmehr der Regen. Denn kaum über die Brücke, geben die Wolken im wahrsten Sinne des Wortes noch einmal alles. Aber so kurz vor dem ziel macht das jetzt eigentlich auch nichts mehr.

Puh!

Auf der anderen Flussseite geht es also zurück, an Fußballplatz und Flughafen vorbei bis zu meinem Hotel. Ich komme auch an einem eigentlich nett ausschauenden Restaurant vorbei, bei dem es aber keinen Kaffee für mich gibt, denn es ist geschlossen. So, wie die Tische und Stühle innen gestapelt sind, gibt es hier auch keine Option auf ein Abendessen. Aber Höfen ist groß genug, dass es wohl irgendwo noch eine Alternative geben wird, zur Not gibt es sicherlich einen Supermarkt.

Im Hotel angekommen, bin ich fix und alle. Die Etappe war zwar physisch nicht sehr anstrengend, psychisch aber irgendwie um so mehr. Trotzdem habe ich offenbar auf die Tube gedrückt, denn es hat gerade einmal Viertel nach zwei auf der Uhr – und die Rezeption ist erst ab 15 Uhr wieder besetzt, sagt zumindest das aufgehängte Schild. Aber ich komme rein und – tadaaaaa – im Eingangsbereich steht ein Getränke- bzw. Snackautomat. Mit Snickers und einer Cola setze ich mich auf die überdachte Veranda und warte, bis ich aufs Zimmer kann. Ich will unbedingt unter die Dusche und danach ein ausgiebiges Nickerchen halten.

Die Rezeptionistin taucht deutlich vor 15 Uhr auf, sodass ich auch gar nicht lange warten muss. Ich hole mir noch einen Tipp fürs Abendessen ab und entschwinde auf mein Zimmer. Meine Sachen zu trocknen tut auch Not.

Zum Abendessen muss ich dann noch knapp einen Kilometer laufen, näher dran gibt es nichts. Aber ohne Rucksack und in aller Seelenruhe läuft es sich immer gut, auch wenn der Hunger ein bissen treibt. Die Strecke lohnt sich aber – zwar ist das Restaurant an ein Ferien-Ressort angegliedert und damit weniger traditionell-urig, als vielmehr modern-touristisch, aber das Personal ist super nett und das Essen saulecker. …und: Weder auf dem Hin- noch dem Rückweg hat es geregnet, ich bin trocken geblieben.

Morgen ist schon der letzte Wandertag, ich bin immer wieder überrascht, wie schnell das dann doch geht bzw. wie plötzlich das Ende kommt, wenn man unterwegs ist. Meine Vorfreude hält sich aber hinsichtlich des Wetterberichtes in Grenzen. Aber dazu mehr im kommenden Beitrag.


Irgendwo bei/hinter Höfen gibt es die Highline 179. Das ist eine Hängebrücke, die von der Burgruine Ehrenberg zum Fort Claudia führt. Beide wären sicherlich schöne Ausflugsziele, aber bei derart bescheidenem Wetter und dazu nur mit großem Umweg erreichbar, ist das auf diesem Wanderweg keine Option für mich. Zumal es flockige 10€ kostet, seinen Fuß auf diese Brücke setzen zu dürfen… Muss jede/r selbst entscheiden, aber das ist es mir nicht wirklich wert.

Kommentar verfassenAntwort abbrechen