Eifelsteig Etappe 2 – Transpiration für Fortgeschrittene

08. August 2020 – Roetgen – Monschau (17 + 2 km)

Ich wart‘ seit Wochen
Auf diesen Tag
Und tanz‘ vor Freude, über den Asphalt
Als wär’s ein Rhythmus
Als gäb’s ein Lied
Dass mich immer weiter durch die Straßen zieht

Naja zugegeben – das ist schon ein bisschen dick aufgetragen. Und Campino bzw. die Toten Hosen haben mit ihrem Song „Tage wie diese“ auch nicht unbedingt die Vorfreude an ein Wochenende an der frischen Luft im Hinterkopf gehabt. Aber trotzdem habe ich seit Ende Mai endlich wieder ein freies Wochenende, das ich seit Wochen schon für die Fortsetzung des Eifelsteigs verplant habe. Diesmal werden es zwei Etappen am Stück, denn mehr lässt sich in zwei freie Tage auch nur schwerlich unterbringen, zumindest wenn ich keinen Gewaltmarsch absolvieren möchte.

Der Wetterbericht treibt mir allerdings schon ein paar Tage vorher leicht die Tränen in die Augen, denn es geht auf die heißesten Tages des Jahres zu. Freitagabend, mein Rucksack ist ohnehin nur mit den leichtesten und luftigsten Klamotten bepackt, gibt es dann im Wetterbericht der Tagesschau die finale Bestätigung: 38°C dürften es werden. Da schwitze ich doch schon beim Gedanken daran und ohne meinen Hintern auch nur 1cm vom Sofa bewegt zu haben! Das wird ja genau mein Wetter…

Aber geplant ist geplant! Abknicken gilt nicht! Also wandert neben meiner mit 3 Litern bis Oberkante vollen Trinkblase noch eine meiner altbewährten Metall-Trinkflaschen mit einem Zusatzliter Wasser, den ich mit einer Vitamintablette würze, in meinen Rucksack. Ich frage mich allerdings, ob dieses  Zusatzgewicht nicht eher darauf hinausläuft, gleich einen Liter unterwegs mehr auszuschwitzen? Aber lieber haben und nicht brauchen, als brauchen und nicht haben. Bei allem anderen wäre ich da rigoros und würde es zu Hause lassen, aber bei Wasser diskutiere ich gar nicht erst. Schon gar nicht mit mir selbst.

Eine Busfahrt, die ist prima

Samstagmorgen brauche ich erst einmal ein wenig, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Trotz der Vorfreude wirkt der Stress der vergangenen Arbeitswoche noch ein wenig nach. Aber wenigstens muss ich nicht allzu früh aufstehen.

Nach den Erfahrungen bei der Rückfahrt von Etappe 1 habe ich mir gestern Abend schon ein Ticket über die App der ASEAG gekauft – und zwar für eine direkte Verbindung von meiner Haustüre aus. Ich bin echt kein Fan davon, beim Umsteigen sinnlos irgendwo an einer Haltestelle zu warten. Die Kehrseite der Medaille ist, dass es diese Direktverbindung nicht allzu oft gibt. Vormittags genau zwei Mal. Die erste Frühmorgens, dann wäre ich schon gegen 8 Uhr in Roetgen. Aber dann müsste ich gegen 6 Uhr aufstehen! Kurz überlegen – es ist Wochenende, ich mache das hier freiwillig. Also: nein. Klar, morgens wäre die Temperatur natürlich noch ein wenig angenehmer. Aber der Mittagshitze entkomme ich eh nicht. Außerdem habe ich Zeit – die Strecke heute ist mit 17km fast schon übersichtlich und auch die knapp 2km bis zu der Jugendherberge, die ich zu meinem Quartier für die Nacht auserkoren habe, machen den Kohl nicht fett. Vor 17 Uhr brauche ich da auch nicht aufzutauchen, denn vorher ist die Rezeption dank Corona nicht besetzt.

Also wird es der spätere Bus, Abfahrt 9:10 Uhr. Man sollte meinen, dass das eine ziemlich entspannte Uhrzeit ist. Der Bus käme um kurz vor 10 Uhr in Roetgen an, die Bushaltestelle dort ist gleich gegenüber dem Etappenstart, 7 Stunden für 19 Kilometer klingen durchaus locker machbar und auch mit Zeit für viele Trink- oder „einfach nur so rumgammeln“-Pausen. Nur muss ich halt vorher vernünftig aus dem Bett und in die Puschen kommen. Ohne Euch mit Details langweilen zu wollen aber: Zwei Mal die Schlummertaste am Wecker gedrückt führt dazu, dass ich mich am Ende doch noch ein bisschen abhetzen darf, um den Bus noch zu erwischen.

Noch schnell zur Bank…

Der Bus selbst ist dann rappelvoll. Ich bekomme zwar noch einen Sitzplatz in der hintersten Ecke und mein Rucksack, den ich auf den Sitz neben mir abstellen muss weil vor/über/unter/auf mir nicht genug Platz ist, sorgt dafür, dass ich genug Abstand zu den anderen Passagieren habe. Aber im vorderen Teil des Busses sitzt und steht eine größere Gruppe eng beisammen, deren Ausrüstung auf einen Badetag am Rursee schließen lässt. Wenigstens tragen alle eine Alltagsmaske, das habe ich in den letzten Wochen schon anders erlebt. Die Androhung von 150€ Bußgeld scheint Früchte zu tragen, auch wenn das erst ab Mitte kommender Woche gilt. Alle Fenster, die sich irgendwie öffnen bzw. kippen lassen, sind auch geöffnet, sodass der Fahrtwind die Luft im Bus wenigstens ein bisschen verquirlt.

Sinnigerweise sitze ich aber auf der Sonnenseite. Eigentlich was Feines, aber heute hilft dann leider auch das bisschen Wind nicht, um zu vermeiden, dass ich schon vor Etappenbeginn einigermaßen durchgeschwitzt bin. Dass ich mich heute morgen auch schon ordentlich mit Sonnencreme eingeschmiert habe, führt im Endergebnis zu einem eher eklig-klebrigen Hautgefühl. Aber das ist immer noch besser, als sich einen Sonnenbrand zu holen.

Übrigens: Fahrkarten lassen sich inzwischen auch wieder ganz einfach beim Fahrer kaufen. Aber gut, jetzt hab ich die blöde App…

Grenzgänger

Ich starte exakt dort, wo ich nach der ersten Etappe geendet bin, nämlich auf der Bank am Teich neben der Wanderstation. Die ist nach wie vor geschlossen, aber das macht mir dieses Mal nichts aus, denn gefrühstückt hatte ich trotz aller Hektik noch zu Hause ein bisschen. Ich schnüre meinen Büggel (vulgo: Rucksack), sortiere mich ein bisschen und los geht’s. Ick freu mir!

Roetgen selbst lässt man im Grunde links liegen. Schon das Ende der ersten Etappe führte ja nicht durch den Ort. Dementsprechend geht man nur für ein paar Minuten an ein paar Häusern mit großen Vorgärten vorbei, unterquert die Vennbahn durch einen alten Tunnel und ist danach gleich wieder mitten im Grünen.

…und überquert die Weser. Nein, ich habe mich nicht plötzlich nach Niedersachsen oder Bremen gebeamt. Hier plätschert lieblich eine Namensvetterin (oder Namensbase? Namenscousine?) unbeschwert und in weiten Teilen als Grenzfluss zu Belgien dahin. Immerhin ist das Flüsslein knapp 70 Kilometer lang, aber trotzdem viel zu klein, um überregionale Bekanntheit zu erlangen. Aber es füllt tatsächlich seine eigene Talsperre, Belgiens größtes Trinkwasser-Reservoir.

Ab hier bis kurz vor Monschau sieht man Häuser, wenn überhaupt, nur noch weit abseits vom Weg. Selten und auch nur für kurze Abschnitte ist der Weg asphaltiert, meistens geht es über Schotter oder „naturbelassene“ Feldwege. Die Wege sind links und rechts mit Sträuchern und alten Bäumen  bewachsen, die vernünftig Schatten spenden. Die Wiesen und Weiden sind überwiegend schon einige Wochen nicht gemäht worden, stellenweise gleicht es einem kleinen Blumenmeer. Überall summen Insekten – und da muss ich gestehen, dass mich das nach einiger Zeit ein bisschen genervt hat. Dieses hohe, kontinuierliche Zirpen von tausenden Grillen konnte ich irgendwann echt nicht mehr hören. Wahrscheinlich schlichtweg ein Natur-Overkill.

Aber die Natur hat ein Einsehen mit mir und die Landschaft wandelt sich zu dichtem Wald. Anfang noch richtig schön urwüchsig, aber nicht viel weiter wird er zum Staatswald Oberweser, einem Wirtschaftswald. Aber ich will Mal nicht meckern. Zumal die intensive Bewirtschaftung augenscheinlich schon seit einigen Jahren Geschichte ist, denn mitunter gibt es durchaus schöne Ecken. Außerdem ist es schattig. Und der anfangs asphaltierte Weg wandelt sich recht zügig in einen Schotterweg, später sogar für einige Zeit in einen astreinen Waldweg.

Kurz nach dem Waldrand geht es zum ersten Mal heute nach Belgien. Die Grenze ist, wie überall an der grünen Grenze zu Belgien, aber auch den Niederlanden und wahrscheinlich auch Luxemburg und Frankreich, kaum spürbar. Einzig das obligatorische „Durchfahrt verboten“-Schild in einem Stil, der sich leicht von seinem deutschen Pendant unterscheidet, gibt einen dezenten Hinweis. Ab hier findet man alle paar dutzend Meter einen Grenzstein. Ein paar davon stehen ganz schön schief und ich frage mich, welche diplomatische Krise ich auslösen würde, rückte ich einen von denen wieder gerade und klaute einem der Länder so ein paar m² Grund und Boden. Aber ehrlich gesagt: es ist mir viel zu warm für so einen Kraftakt. Der Weg jedenfalls folgt hier – und auch später, hinter dem Hohen Venn – fast genau dem Grenzverlauf, sodass man quasi mit einem Bein immer im jeweils anderen Land läuft.

An der Brücke über den Steinbach treffe ich zwei Wanderinnen, die schon ganz schön fertig aussehen. Beide tragen Shirts von irgendeinem Megamarsch-Event (deren Sinn sich mir übrigens immer noch nicht erschlossen hat – die Märsche, nicht die Shirts). Da ich gerade so richtig schön im Flow bin, grüße ich kurz und schreite weiter voran. Der Name „Steinbach“ ist übrigens schon sehr treffend. Wasser hat es hier in der Trockenzeit offenbar wenig bis gar keines. Dafür säumen das Bachbett eine ganze Menge großer Steine.

Dauerläufer

Ausgehend vom Steinbach geht es ab jetzt kontinuierlich, aber gemächlich bergan, denn es geht so langsam ins Hohe Venn – und das ist schließlich nicht nur ein Moor, sondern ein Hochmoor. Also muss man da ja auch irgendwie rauf kommen. In der sich so langsam ankündigenden Mittagshitze ist das zwar anstrengend, aber doch locker machbar. Trotzdem mache ich ungefähr auf halber Höhe in der Schutzhütte Reinartzhof eine kurze Pause. Reinartzhof ist bzw. war eine „Siedlung aus Einzelhöfen“, die ab 1958 auf königlichen Erlass hin (klingt irgendwie bizarr mittelalterlich, oder?) geräumt werden, weil sie im Wassereinzugsgebiet der Weser lagen und befürchtet wurde, dass die Land- und Viehwirtschaft die Trinkwasserqualität des Flusses und damit des Stausees beeinflussen. Heute gibt es nur noch von einem Hof ein paar Mauerreste, eine kleine Kapelle, die aus alten Steinen der Höfe gebaut wurde und eben die Schutzhütte. Ich suche hier in erster Linie Schutz vor der Sonne.

Nicht weit von den nicht mehr vorhandenen Höfen beginnt die „lange Gerade“. Erst noch durch den Rest des Staatswaldes, dann aber durch das Venn. Der Abschnitt ist wirklich kerzengerade. Wenigstens ist es auf dem fein geschotterten Untergrund gut zu gehen. Damit ist die Liste der Annehmlichkeiten auf diesem Abschnitt aber auch schon zu Ende.

Der gut ausgebaute, ebene, breite Weg ist auch für Fahrradfahrer optimal. Das wissen offenbar so einige Radler zu schätzen, denn sie treten in mehreren großen Rudeln auf. An sich stört mich das gar nicht, denn ich muss nicht einmal ausweichen. Aber jedes Fahrrad zieht ein kleines Staubwölkchen hinter sich her. Dass ich ein bisschen was davon einatme, lässt sich nicht vermeiden, außer ich würde meine Maske anziehen. Dafür ist es aber viel zu heiß. Und so kaue ich zwischendurch immer Mal wieder ein bisschen auf Sand und was sich in meiner Nase so ansammelt, will ich eigentlich gar nicht wissen.

Heiß ist für die gesamte Gerade auch das Stichwort. Es ist kurz nach 12 Uhr. Es ist inzwischen maximal warm, auf gut Deutsch gesagt, läuft mir die Brühe den Rücken inzwischen wieder hoch. Vor allem, da die gesamte Strecke in der prallen Sonne liegt, es gibt schlichtweg keinen Schatten. Nicht nur, dass die Sonne so steht, dass die Bäume gar nicht erst einen nennenswerten Schatten werfen – der breite Weg und das Gestrüpp am Rand sorgen dafür, dass von dem bisschen Schatten gar nichts erst den Weg berührt. Ich brate vor mich hin und es ist wirklich unangenehm. Weite Teile des Venn sind verhältnismäßig dünn mit Bäumen oder hohen Büschen bewachsen und es geht immer Mal wieder ein bisschen Wind. Hier natürlich nicht – ich schmore also im eigenen Saft, Oberhitze ohne Umluft. Irgendein niederer Wettergott hat dann aber immerhin ein Einsehen und schickt einige Wolken vorbei – sobald sich eine davon vor die Sonne schiebt, wird es wenigstens ein bisschen angenehmer.

Es gäbe etwa auf halber Strecke der langen Geraden die Option, nach links ins Venn abzubiegen. Die Strecke ist wohl landschaftlich deutlich schöner (was in dem Fall keine große Kunst ist), aber 1,5km länger. Selbst bei dieser Hitze wäre das für mich noch eine Option, denn eilig habe ich es ja immer noch nicht. Es weht auch kein roter Wimpel am Fahnenmast, der erhöhte Waldbrandgefahr anzeigen würde und damit das Betreten dieses Gebietes strikt verbietet. Das mag allerdings daran liegen, dass es an dieser Stelle schlicht keinen Fahnenmast mehr gibt. Aber der Weg selbst ist etwa einen Meter hoch mit Gras und Gestrüpp zugewuchert, ich nehme an, dass hier schon länger niemand lang spaziert ist. Eine Machete habe ich nicht zufällig dabei, also erteile ich dem Umweg eine Abfuhr.

Aber am Straßenrand vor dem Abzweig sitzen die beide Damen, die ich am Steinbach schon gesehen hatte. Ich nehme an, die beiden sind an mir vorbei gezogen, als ich am Reinartzhof Pause gemacht habe. Natürlich ist die erste Frage an mich, ob ich Jakobspilger sei, denn die Muschel an meinem Rucksack ist unübersehbar. Ich trage das Ding seit meinem ersten Schritt auf dem Francés am Rucksack und habe sie nie abgenommen. Auf die Weise sieht die Muschel wenigstens was von der Welt und liegt nicht in irgendeiner Schublade oder verstaubt im Regal.

Viel Schatten hat es an der Stelle zwar auch nicht, aber ich bleibe trotzdem eine Weile stehen und unterhalte mich mit den beiden. Übers Wandern und Pilgern, wo es hingeht, wo ich herkomme. Und: Wie viele Kilometer ich denn am Tag so mache. Ich antworte, dass ich mit meinen Tagesstrecken, die in den meisten Fällen weit unter 30km liegen, wohl mit ihrem Megamarsch nicht mithalten könne. Aber guck an, die beiden gehen ähnliche Etappen, wie ich  – wandern mit Gepäck und Wasser auf dem Rücken ist halt etwas anderes, als bloßes marschieren mit einer Verpflegungsstation alle paar Kilometer.

Irgendwann, nach viel stumpfsinnigem einen-Fuß-vor-den-anderen-Setzens, taucht an einer Kreuzung (hier wäre ich über den Umweg von links gekommen) die Stelinghütte auf. Nichts besonderes – drei Wände, Dach, Sitzbank und Schatten! Gar nicht lang überlegt und schnell beschlossen: Das wird mein 5-Sterne-Deluxe-Hotel für meine Mittagspause. Mein Rucksack landet schneller auf der Bank, als ich Supercalifragilisticexpialigetisch sagen kann (wir wollen ja schließlich realistisch bleiben). Ich lande mindestens genauso schnell neben meinem Rucksack auf der Bank und dünste aus. eine Weile lang. Danach geht es einem Teil meiner Wegzehrung an den Kragen, was mich nicht nur satt macht, sondern auch den Vorteil bietet, dass das Gewicht sich schwerpunktoptimiert in meinem Magen und nicht mehr auf meinem Rücken befindet. Auch wenn es nur Müsliriegel, ein Apfel und ein hart gekochtes Ei sind, jedes Gramm zählt.

Die beiden Megamarsch-Mädels ziehen lachend wieder an mit vorbei, ich lege mich lachend – oder eher zufrieden grinsend – lang auf die Bank, die Füße auf dem Rucksack. Nur 5 Minuten dösen. Es werden 20. Auch gut. Ich bin fast stolz auf mich, dass ich im Schlaf nicht von der schmalen Bank gepurzelt bin.

Mit der wichtigste Indikator dafür, wie meine Wanderlust und -laune ist, ist wie gut oder schlecht ich nach einer längeren Pause wieder in die Gänge komme. Heute ist trotz der Hitze ein außergewöhnlich guter Tag, denn ich rapple mich wirklich zügig auf, packe alles wieder dorthin, wo es hingehört und will mich wieder auf die Socken machen. Vorher gibt es aber noch eine neue Schicht Sonnencreme, sicher ist sicher.

Leider geht es nach wie vor noch einige Meter geradeaus und bergan, denn der Gipfel des Steling will noch erklommen werden, mit knapp 660m der höchste „Gipfel“ in und um Aachen. Optisch ist hier aber nicht viel zu erwarten, eigentlich merkt man nur dass man oben ist, wenn es nicht mehr weiter bergan geht.

Dann passiert etwas total Ungewöhnliches: Es geht in eine Rechtskurve! Ich bin davon tatsächlich überrascht, denn ich laufe erst noch 100 Meter geradeaus weiter, weil ich nicht auf die Wegmarkierungen geachtet habe. Dass ich falsch bin merke ich erst, als der Weg vor mir abrupt aufhört. Mit der Kurve endet nicht nur die lange Gerade, sondern auch das Venn bzw. es geht in Bereiche, die nicht renaturiert wurden. Links und rechts begleiten mich ab hier wieder vermehrt Wiesen und vor allem Bäume. Bäume mit Schatten. Schlagartig wird es bestimmt 5°C kühler.

Dass Karl der Große ein Faible für Aachen hatte, ist ja allgemein bekannt, deswegen verwundert es wohl auch nicht, dass er ab und zu in der Gegend auch spazieren oder jagen war. Hier hat er der Legende zufolge wohl ein Mal die Zeit vergessen und sich ein lauschiges Plätzchen für die Nacht gesucht. „Kaiser Karls Bettstatt“ sind im Grunde nichts als zwei große Steinbrocken, auf denen mal sich mit viel Fantasie lang legen kann. Also ich mit meinen über 1,90m jedenfalls. Kleineren Menschen mag das leichter fallen (wobei Karl ja auch ein „Riese“ gewesen sein soll). Für meine Mittagspause fand ich meine Bank in der Stelinghütte jedenfalls gemütlicher.

Nicht weit von Karls Biwak steht ein kleiner Aussichtsturm, der vollmundig als „Eifelblick“ angekündigt wird. Mit Blick ist hier aber nicht viel, es sei denn, man möchte sich das Blattwerk der Bäume im näheren Umfeld näher ansehen.

Endspurt?

Mützenich ist dann der erste Ort, den man nicht nur tangiert. Es geht zwar nicht mitten durch den Ort, aber zumindest durch ein locker bebautes Wohngebiet, bei denen einige Grundstücke schon von den berühmten Monschauer Buchenhecken eingerahmt sind. Ich halte mich aber nicht lange auf, denn zum Einkehren gibt es hier entlang des Eifelsteigs nichts. Also bin ich schnell wieder in der Natur.

Die gesamte Etappe war bis hierher zwar nicht flach, aber doch stetig. Das ändert sich im letzten Abschnitt vor Monschau allerdings stark. Es geht über Wurzelwerk und Steine, ein kleines aber steiles Stück bergan und dann bis zum Etappenende stellenweise steil bergab. Wer hier nicht trittsicher ist, hat schon verloren: Der Weg ist ein einigen Stellen so schmal, dass ich gerade so meine Füße nebeneinander setzen kann – und links neben mit geht es bestimmt 20 Meter steil bergab. Wenigstens kann man von hier aus den ersten Blick auf Burg Monschau erhaschen, die das Ende der Etappe ankündigt. Der eigentliche Hit ist aber das letzte Stück vor Monschau, das den klangvollen Namen Buelspatt trägt. Links der Abgrund. Rechts dichte, stachlige Brom- und Himbeersträucher. Unter mir der Buelspatt, Schiefergestein mit ganz vielen losen Stücken, dazu ein Gefälle, dass mich die ganze Zeit balancieren lässt. Der Weg endet am Gehweg der Bundesstraße, die weiter hinunter nach Monschau führt. Mir schlottern echt die Knie und ich muss mich kurz auf die Leitplanke setzen. Mit einem kurzen Stoßgebet danke ich wemauchimmer, dass er mich meine neuen Wanderschuhe hat anziehen lassen. Die alten sind zwar im Grunde noch gut, aber haben fast kein Profil mehr, also eher Spaziergang statt Wanderung – ohne ein griffiges Profil wäre ich hier an ein, zwei Stellen echt aufgeschmissen gewesen. Ich bin auch so auf dem kurzen Stück schon ein paar Mal ins Rutschen gekommen.

Über Burg Monschau, heutzutage ebenfalls eine Jugendherberge, geht es runter in die Altstadt. An der Brücke über die Rur ist die zweite Etappe des Eifelsteigs zu Ende. Für mich allerdings noch nicht, denn ich muss noch knapp 2km weiter bis zur Jugendherberge Monschau-Hargard.

Obwohl Samstag ist und es schönstes Sommerwetter hat, habe ich Monschau noch nie so leer erlebt. Für gewöhnlich treten sich hier die Touristen gegenseitig auf die Füße. Ob da jetzt die Sommerferien oder Corona die Ursache für sind, ist mir ziemlich Wumpe. Mich interessiert nur, dass ich fast ohne Wartezeit einen Platz im Biergarten direkt am Fluss bekomme, Sonnenschirm inklusive.

Mit Weizenbier und Cola werden Elektrolyte und Zucker wieder aufgefüllt. Da meine Lust, von der Herberge wieder in die Stadt und im Anschluss an ein Abendessen auch noch zurück laufen zu müssen, nicht vorhanden ist, entschließe ich kurzerhand, ein frühes Abendessen einzunehmen. Es ist halb 5, kann man schon Mal machen. Monschauer Senfschnitzel – wer es noch nicht probiert hat: machen!

Endspurt! Mit Fresskoma.

Den Weg zur Herberge hatte ich mir vorher nur grob auf der Karte angeschaut. Die Navi-App im Handy schlägt gleich 3 Alternativrouten vor, von denen ich mich für diejenige entscheide, die über den „Panoramaweg“ führt.

Ich bin halt wirklich blöd… Denn was braucht es für ein Panorama? Richtig, Höhe. Also geht es hinter einer winzigen Gasse, an der ich erst vorbeigelaufen bin, weil ich nicht dachte, dass man dort überhaupt durch kann, schnell mal über eine steile Treppe nach oben. Das Schnitzel im Magen verwandelt sich in dem Moment in einen Backstein, der mich wieder zurück nach unten ziehen will. Die Treppe hoch schwitze ich mehr, als während der Mittagshitze im Venn. Immerhin kann ich behaupten, dass sich die Plackerei gelohnt hat, denn das Panorama hält, was es verspricht.

Danach geht es zur Abwechslung ein Stück bergab, nur um danach wieder oben auf den Berg zu führen. Da bleibt der Weg aber nicht lange, sondern er führt wieder bergab. Hätte ich auch drauf kommen können, hätte ich mir nur die Höhenlinien auf der Karte genauer angeschaut. So kletterte ich insgesamt drei Mal die Höhenmeter, die ich hochgelaufen bin, wieder hinunter, nur um am Ende zur Jugendherberge noch einmal nach oben zu stapfen. Wie gesagt: knapp 2 Kilometer. Dafür habe ich sage und schreibe fast eine Stunde benötigt. Ächz!

Etwa 300 Meter vor der Jugendherberge reicht es mir. Ich lege mich ins Gras und höre ein bisschen Musik. Bevor ich einchecke möchte ich wenigstens wieder zu Atem kommen. Ich liege gar nicht lange dort auf der Wiese, als die Besitzer selbiger bzw. des Hauses dahinter an mir vorbei spazieren. Ob ich denn etwas trinken möchte, wo ich denn herkomme. Vor allem haben sie einen wichtigen Wegtipp für mich: Wenn ich von der Herberge aus nach Menzerath liefe, da am Friedhof vorbei und ein Stück in den Wald, dort stünde eine Bank, deren Paten sie sind. Dort sei es schön. Ich kann den beiden nicht versprechen, dass ich mich heute noch dazu aufraffen kann, dort vorbeizugehen (was ich definitiv nicht in Erwägung ziehe), aber ich setze es auf meine Liste für Etappe 3. Auch wenn Menzerath eigentlich nicht am Eifelsteig liegt, werde ich morgen dort entlang gehen – mehr dazu im folgenden Blogeintrag. Stay tuned!

Irgendwann schleppe ich mich dann doch noch in die Herberge. Der Herbergsvater ist supernett, das Haus frisch renoviert und sehr sauber. Außerdem bekomme ich ein Einzelzimmer. Da sage ich nicht nein, zumal ich die günstigere Unterkunft im Gruppenraum gebucht hatte. Aber so werde ich für 29€ inklusive Frühstück sicherlich nicht meckern.

Dass meine Unterkunft auch einen großen Nachteil hatte, darüber berichte ich ebenfalls beim nächsten Mal. Aber bis dahin verbringe ich den restlichen Abend mit einer extrem wohltuenden, ausdauernden und nötigen Dusche und im Anschluss mit einem eiskalten Radler, einem Buch und noch mehr Musik auf einer Bank vor der Herberge.

Das Leben ist schön. Die Etappe hat richtig Spaß gemacht, trotz der Hitze. Abgesehen von der schattenfreien Zone im Venn war das alles erträglich, denn es war wenigstens eine trockene Hitze. Zum Einstieg in mein Wander-Wochenende quasi fast perfekt.

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